Kleine Balgengeräte für Exakta und Exa by Photo but More

Kleine Balgengeräte für die Exakta Varex und EXA

Kleines Balgengerät

Der Beschreibung der Verwendung von Zwischenringen für die Nah- und Mikrofotografie können Sie unschwer entnehmen, dass diese Zubehörteile keine Ideallösung für den ambitionierten Fotografen sind. Zwar ist mit Zwischenringen ein exakt definierter Abbildungsmaßstab erreichbar, doch ist dies in der fotografischen Praxis meist nicht gefordert.

Für viele Anwendungen sind deshalb stufenlos veränderbare Auszugsverlängerungen die bessere Wahl. Die von der Zubehörindustrie (zeitweise auch in Exakta-Preislisten enthalten) angebotenen Zwischenrohre, die sich über einen Schneckengang kontinuierlich einstellen lassen, boten ernsthaften Fotografen auch keine echte Alternative. Wohl deshalb nahm die Ihagee ihren 1939 angebotenen „Universal-Verlängerungstubus E“ nach dem Krieg auch nicht mehr ins Programm.

Eigentlich ist es verwunderlich, dass die aus der fotografischen Frühzeit schon bekannten Balgenauszüge für die Kleinbild-Spiegelreflexkameras erst spät entdeckt wurden. Anfang der 1950er Jahre stellte der Memminger Fotograf Karl Müller erste kleine Balgengeräte her - anfangs nur für die Leica und Contax, kurze Zeit später auch für die Exakta. In der fotografischen Praxis erwiesen sich diese Novoflex-Balgen als universell verwendbare Hilfsmittel.

Das erkannte auch die Ihagee und bot mit dem Ihagee Vielzweckgerät ab 1953 ein vielfältig verwendbares, nach dem Baukastenprinzip konstruiertes Zubehör an. Das dazu entwickelte Balgennaheinstellgerät erschloss der Exakta in den Folgejahren eine ganze Reihe zusätzlicher Anwendungsmöglichkeiten. Von der Konzeption her war dieses erste (große) Ihagee-Balgengerät in erster Linie für den stationären Einsatz gedacht.

Erst rund 10 Jahre später wurde das Angebot um eine kleinere Ausführung ergänzt. Der Fotohandel bot schon länger derartige Hilfsgeräte von anderen Herstellern an. Einige waren handlicher und leichter als das immer noch recht wuchtige kleine Balgengerät aus Dresden. Weiter unten stelle ich noch einige vor.

Für Sammler spielt das heute keine Rolle mehr, der typische „Fotoamateur“ entschied sich damals jedoch meist für Geräte von Novoflex oder andere Fabrikate, auch aus japanischer Fertigung.

Verschiedene Versionen des kleinen Balgengerätes. Sie sehen, die Unterschiede sind nur gering.

Kleines Balgengerät mit PrimotarMit dem „Kleinst- Balgennaheinstellgerät“ – so die Prospektbezeichnung – unter der Katalognummer 176 (717.600 nach 1970) können Auszugsverlängerungen zwischen 35 – 125 mm eingestellt werden.

Das Normalobjektiv kann dabei zwar nicht mehr auf unendlich fokussiert werden. Doch sind damit Abbildungsmaßstäbe bis 2,5:1 mit dem 50er Normalobjektiv erreichbar.





Ein Anwendungsbeispiel für das kleine Balgengerät. Angesetzt ist dabei der Objektivkopf des Meyer Primotar 3,5/135, dessen Kopfgewinde über einen von Meyer gelieferten Anschlussring auf das Exakta-Kamerabajonett adaptiert wird.

Mit dieser Kombination läßt sich von etwa 50 cm Nahbereich bis unendlich fokussieren. Der montierte Lupensucher ist in diesem Fall allerdings nur für Naheinstellungen hilfreich.


Balgenklein Doppel-BajonettansatzBalgenkleinhochformat Das kleine Balgengerät ist zwar nicht sonderlich komfortabel zu bedienen aber recht robust. Immerhin besitzt es auf der Führungsstange Markierungsstriche in jeweils 10 mm Abstand. Das Gehäuse hat zwei Stativaufnahmen, meist in ¼“ einige auch noch in 3/8“.

Es kann in zwei verschiedenen Stellungen (hoch und quer) an das Kameragehäuse angesetzt werden. Dazu besitzt es zwei verschiedene Ansetzpunkte am kameraseitigen Bajonett.

Der kleine Balgen hat keinen Schwenkmechanismus, bei Hochformataufnahmen wird er um 180° gedreht an die Kamera angesetzt. Im rechten Bild ist eine Hochformatkombination mit einem Balgen-Tessar 2,8/50 zu sehen.

Balgenklein Lack An den Geräten aus unterschiedlichen Baujahren sind erst bei genauerem Hinsehen kleine Veränderungen zu bemerken, die möglicherweise auch nur zufälliger Natur waren.

So haben mir bekannte Balgen mit dem Schriftzug Ihagee bzw. Ihagee Dresden die Auszugsmarkierung meist auf der rechten Führungsstange. Nur wenige, wie das Gerät mit dem Exportaufkleber Made in Germany (East) im Vergleichsfoto oben und spätere Ausführungen haben die Markierungen auf der linken Führungsstange. Ob es sich hier um Montagzufälligkeiten handelt, oder die Markierungen bei späteren Geräten generell von rechts nach links gewandert sind, vermag ich aber nicht zu bewerten.

Die Schrumpf- oder Kräusel-Lackierung war mal mehr, mal weniger strukturiert. Auf dem Bild rechts sehen Sie sogar zwei verschiedene Strukturen an einem Gerät. Dazu gibt es die erwähnten Varianten im Stativgewinde und bei der Herstellerbezeichnung.

Bei den vorderen und hinteren Befestigungsbolzen verschiedener Balgengeräte finden sich unterschiedlich dicke Köpfe, auch schonmal leicht abgeschrägt (3 Vergleichsfotos unten).

BalgenschraubenBalgenschraubenSchrauben konisch Aus den mir bekannten Ausführungen habe ich folgende sechs Versionen gebildet, mit denen es normalerweise auch sein Bewenden haben sollte (kleine Unterschiede lassen sich mit a, b, c usw. noch einsortieren). Die Versions-Nummern sind in etwa nach der Produktionszeit geordnet:

Version 1 - Ihagee Germany, flache Bolzen, Markierungsstriche rechts, Strukturlack fein
Version 1a - wie vor, jedoch Strukturlack grob
Version 1b - wie vor, jedoch Strukturlack grob + fein
Version 2 - Ihagee Germany, flache Bolzen, Markierungsstriche links, Strukturlack grob
Version 3 - Ihagee Germany, dicke abgeschrägte Bolzen, Markierungsstriche rechts, Strukturlack grob
Version 3a - Ihagee, dicke abgeschrägte Bolzen, Markierungsstriche links, Strukturlack grob
Version 4 - Ihagee Germany, dicke Bolzen, Markierungsstriche rechts, Strukturlack grob
Version 4a - wie vor, jedoch Strukturlack grob + fein
Version 4b - Ihagee, sonst wie vor, jedoch Strukturlack fein
Version 5 - Ihagee, Markierungsstriche links, dicke Bolzen, Strukturlack grob
Version 6 - ohne Bezeichnung, Markierungsstriche links, dicke Bolzen, Strukturlack grob

Balgen M42 Nach Ende der Exakta-Aera wurde auch dieses Gerät noch etliche Jahre mit M42-Gewinde- anschluss für die Praktica produziert.

Der ganz verbissene Sammler wird somit rund ein Dutzend verschiedener Ausführungen finden können.



Bild rechts: Balgen in Pentacon Ausführung mit M42 Anschluss (Aufdruck "Made in GDR")

So ganz nebenbei eignet sich das kleine Balgengerät auch gut zum Experimentieren mit alten Objektiven. Hier ist ein Agfa Anastigmat 6,3/13,5 cm aus den frühen 1930er Jahren eingesetzt (Bild oben links). Mit einer solchen Ausrüstung kann man problemlos praktisch fotografieren und mit dem Balgen auf unendlich einstellen.

Dabei erfährt man leicht etwas über die zum Teil erstaunlichen Abbildungsleistungen dieser Ur-Oldtimer, z.B. in der Landschafts- oder Architekturfotografie. Die Bildleistung ist plastischer und kontrastreicher als mit manchem modernen Hochleistungstele - in der Schwarz-Weiß-Fotografie sowiesoo!

Hier eine Kombination für besonders hochauflösende Nahaufnahmen mit einem speziellen Zeiss S-Tessar 6,3/120mm. Dieser Objektivkopf ist mit einem Exakta-Anschluss versehen und ermöglicht eine Abblendung bis Blendenstufe 64.

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass es für die Balgengeräte 50mm-Spezialobjektive mit versenkter Fassung gibt, mit denen auch mit der üblichen Standardbrennweite bei Balgenfotografie bis unendlich fokussiert werden kann.

Das weiter oben im Bild gezeigte Balgen-Tessar 2,8/50 ermöglicht dabei eine Auszugsverlängerung zwischen 0 bis 90 mm. Diese Balgen-Spezialobjektive stelle ich auf meiner Objektivseite gesondert vor. Sie lassen mit den meisten kleinen Balgengeräten eine Unendlich-Fokussierung zu, nicht jedoch mit dem grossen Ihagee-Balgengerät.


Balgengeräte anderer Hersteller für die Exakta

No name BalgenBalgengeräte waren beim allseits umworbenen "Fotoamateur" ein recht beliebtes - wenn auch eher weniger benutztes - Zubehörteil. Die Zubehörhersteller reagierten entsprechend.

Neben den schon weiter oben erwähnten NOVOFLEX-Balgen fanden in Deutschland zunächst Kilfitt und Titania über Photo Porst und Fotoläden ihre Käufer. Der kleine Berliner Hersteller Hans Sperling (HASPE / HSB) - auch bekannt für seine Exakta-Prismensucher - fertigte spezielle Balgengeräte.







"No name"-Balgengerät mit Exakta-Bajonett auf beiden Seiten. Mit 130 mm hat es einen etwas längeren Auszug als das Ihagee-Originalgerät, ist dabei leichter und ist mit zwei Mikrometer-Einstellknöpfen auch präziser einstellbar als dieses.
Die Bauform erinnert an die bekannten Novoflex-Balgen, es jedoch mit diesen nicht kompatibel für einen evtl. Anschluss von Kompendium oder Diakopiervorsatz. Hersteller ist wohl Kilfitt (?).



Sperling Balgen Sperling Balgen zusammen
Ein zusammenfaltbares Balgengerät "PROFLEX I" von Sperling (HSB) nach dem Prinzip der Faltbalgenkameras mit "Laufbodenauszug". Zusammengeklappt passt es in fast jede Tasche; nicht unbedingt handlich in der Anwendung, aber eine interessante Sammlungserweiterung.

Mit seinen über das T-2-Adaptersystem für viele Kameraanschlüsse passenden Balgengeräten eroberte sich ab etwa 1960 auch HAMA einen nicht geringen Anteil im Zubehörmarkt. Vor allem die "Tilt and Shift"-Version ermöglichte neue fotografische Möglichkeiten. Eine Spezialversion für die Exakta mit Bajonettanschluss gibt es jedoch nicht. In den USA sind noch andere Namen zu finden, hier mag vor allem der japanische Hersteller KOPIL erwähnt sein.

Kopil Bellowsmat mit VX Kopil Bellowsmat
Ein auch axial und in der Höhe verstellbares ("Tilt and Shift") Balgengerät von KOPIL Japan mit beidseitigem Exakta-Bajonettanschluss. An die hier mit einer Exakta Varex VX gezeigte Kombination ist ein Objektivkopf von Piesker Picon 3,5/100 mm angesetzt. Wer mit sowas umzugehen versteht, verfügt schon über einige fotografische Möglichkeiten.
Noch mehr Verstellmöglichkeiten bietet das große Tilt and Shift-Balgengerät von HAMA.


Die Original-Ihagee-Balgengeräte sind recht sperrige Teile und auch die Balgengeräte anderer Hersteller können nicht unbedingt als "taschengerecht" bezeichnet werden. Deshalb finden sich noch einige falt- und klappbare Spezialkonstruktionen als hübsche Ergänzung der ohnehin schon umfangreichen Mikro- und Makroabteilung einer Sammlung. Neben dem schon weiter oben gezeigten Sperling-Gerät fand ich noch ein etwas skurriles Teil von KOPIL.

Kopilfaltbalgen Kopil Faltbalgen zusammen
Zwei unterschiedliche Versionen eines klappbaren Balgengerätes von KOPIL Japan. Mit nur einer Auszugsschiene ist es zusammengeklappt auch ziemlich klein
aber zugleich eine etwas fummelige Angelegenheit. Bis sowas unterwegs aufgebaut ist, hat die Motiv-Eidechse längst das Weite gesucht ...


Grundsätzlich sind alle Zubehörteile für Nahaufnahmen auch mit den Exa-Modellen verwendbar. Bei der Exa mit auswechselbarem Sucher ergeben sich jedoch bei größeren Auszugsverlängerungen Vignettierungen, die auch Auswirkungen auf die Belichtungszeit haben. Bei den Exa-Modellen mit Prismensucher entfällt natürlich die Möglichkeit, andere Suchereinsätze und Einstelllupen zu verwenden.



Posted 2008/09/16; last updated 2010/01/20 Copyright © by Horst Neuhaus