Seit geraumer Zeit beehrt uns nahezu jeder in Kunststoff gefasste chinesische oder koreanische Scherbenhaufen, der einen Hundehintern im Großformat abzubilden vermag, mit dem Zusatz "Makro" im Namen. Offenbar soll - seit den 1980er Jahren - "Makro" auf diese Weise eine spezielle Objektivqualität vermitteln. Stattdessen hat diese Bezeichnung mittlerweile jedoch einen eher billigen Beigeschmack.
Dabei sind Makroobjektive keine Erfindung der letzten Jahrzehnte. Auch in der photographischen Vor- und Frühzeit wussten Photographen, dass es spezieller optischer Vorrichtungen bedarf will man einen Gegenstand im Großformat oder gar vergrößert darstellen.
Mit klassischen Fotogeräten wurde die Aufgabenstellung "Nahaufnahme" rein mechanisch gelöst. Bei antiken Großformatkameras mit Balgeneinstellung verlängerte man den Auszug (den Abstand zwischen Objektiv und Film- oder Plattenebene) um näher an's Objekt herangehen zu können. Später verwendete man eine zusätzliche Linse (Vorsatz-, Nah-, Portraitlinse o.ä.) und verkürzte damit die Objektivbrennweite (oder verlängerte diese mit einer Telelinse). Ab den 1930ern besann man sich auch für Kleinbildkameras auf den guten alten Balgen um Motive "heranzuholen".
Dabei heißt "Makro" hinsichtlich der Leistungsfähigkeit eines Objektivs ursprünglich etwas Anderes - ein für die speziellen Anforderungen der Nahfotografie gerechnetes und konstruiertes Aufnahmeobjektiv. Das hat zunächst einmal gar nichts mit besonderer Qualität gemein. Vielmehr werden Objektive grundsätzlich entsprechend ihres Verwendungszwecks konzipiert und mit spezifischen Eigenarten ausgestattet. Bauweise und Korrektur bestimmen, in welcher Aufnahmesituation die höchste optische Leistung erreicht wird. Dabei kann es unterschiedliche Schwerpunkte, wie hohe Lichtstärke, Brillanz, Verzerrungsfreiheit, Leicht- oder Kurzbauweise geben oder das Objektiv soll im Fernbereich (als Fern- oder Teleobjektiv) oder Nahbereich besonders abbildungsstark sein.
Bild rechts: Vogelbeere - Nahaufnahme mit dem MakroPlasmat von Hugo Meyer Görlitz
Auf meiner Objektivseite habe ich dazu schon ausgeführt, dass die Berechnung eines hochwertigen Objektives der Quadratur des Kreises gleichkommt. Zwar hat sich seit den Anfängen im Objektivbau eine Menge getan. Bessere Gläser, Vergütung und Computer erleichtern Konstruktion und Bau von Objektiven ganz erheblich. Doch die Gesetzmäßigkeiten der Optik können auch sie nicht außer Kraft setzen.
Zurück zum Makro-Objektiv. Fotografen wissen es seit altersher - wenn bei Nahaufnahmen die Motiventfernung kürzer wird als die Brennweite des Objektives, sollte dieses an Balgen oder Zwischenringen in umgekehrter Stellung (Retrostellung) verwendet werden. Damit wird der Objektivkonstruktion Rechnung getragen, die normalerweise einen größeren Abstand des Motives zum Objektiv zugrundelegt als die Entfernung des Objektives von der Filmebene der Kamera. Mit der Umkehrstellung, für die es spezielle Anschlussringe gibt, werden die optischen Verhältnisse somit wieder hergestellt. Ungeachtetdessen wird das verwendete Objektiv dadurch aber noch nicht zum Makroobjektiv im eigentlichen Sinn.
Makroobjektive sind von vornherein für kurze Objektweiten berechnet. Die höchste Abbildungsleistung wird dabei in den Nahbereich gelegt. Das heißt nun in der Regel aber nicht, dass mit einem solchen Objektiv nicht auch normal fotografiert werden kann. Nur ganz spezielle Optiken, wie Mikroskop- oder auch Lupenobjektive sind dafür nicht zu gebrauchen. Gute Makroobjektive verschlechtern ihre Abbildungsleistung auch im Fernbereich nicht, bringen aber nicht in jedem Fall das erwünschte Bildergebnis. Außerdem sind Makroobjektive mit ihrem längeren Schneckengang mechanisch aufwendiger und somit vergleichsweise schwerer.
So findet man zum Beispiel den Zerstreuungseffekt BOKEH bei speziellen Makro-Objektivkonstruktionen nicht. Unabhängig davon sollte mit derartigen Objektiven immer abgeblendet werden - aber das gilt ja für hochwertige lichtstarke Objektive auch. Nun mag man sich fragen, weshalb ist nicht jedes Objektiv ein Makroobjektiv? Das ist recht einfach zu beantworten: Makroobjektive mit ihren aufwendigeren Einstellfassungen sind 1. teurer, 2. schwerer und 3. größer als Normalobjektive.
In den Zeiten der klassischen Fotografie, zu Lebzeiten der Exakta also, boten nur wenige Hersteller spezielle Makro-Objektive an. Hier will ich noch unterscheiden in Objektive mit langer Einstellfassung, die auch normal benutzt werden können und Objektive, die nur in Verbindung mit Balgen oder Zwischenringen verwendbar sind. Alle hier vorgestellten Objektive haben entweder einen Bajonettanschluß zur Verbindung mit dem Objektivbajonett der Exakta Varex oder Exa oder waren mit einem passenden Anschlussadapter dafür erhältlich.
Zuerst tauchte der Begriff "Makro" im Zusammenhang mit einer speziellen Objektivbauform im Jahr 1952 mit dem "Balgen-Tessar" von Carl Zeiss Jena auf. Das Linsensystem wurde in eine spezielle Fassung gesetzt. Diese ermöglichte es, auch bei Balgengeräten mit einem Objektiv in der Standardbrennweite auf unendlich zu fokussieren. Bislang war das nur mit Objektivköpfen ab etwa 100 mm Brennweite möglich. Durch die versenkte Fassung wurde auch mit den damals angebotenen Balgengeräten die Standardbrennweite 50 mm nutzbar. Objektive mit einer derartigen Fassung boten nach Zeiss Jena nur Isco Göttingen, Albert Schacht und Steinheil an.
Das "Balgen Tessar" von Carl Zeiss Jena, eingesetzt in das kleine Ihagee-Balgengerät. Das Objektiv wurde ohne Schneckengang geliefert, die Entfernungseinstellung (bis oo möglich) erfolgt mit dem Balgen.
Novoflex, eher bekannt für hochwertige Balgengeräte und Pistolenobjektive, ergänzte sein Sortiment zeitweilig auch um ein 35 mm-Makroobjektiv. Das 4linsige Noflexar 1:3,5/35 mm zählt zu den besten Makroobjektiven, die es für Geld zu kaufen gab. Eine Besonderheit sind die 4 Raststufen, mit denen es nach Erreichen der Einstellgrenze von 40 cm als normales Weitwinkelobjektiv bis zur kürzesten Entfernung ausgezogen wird. Praktisch - dabei werden jeweils 1/4 Blendenstufe zusätzliche Belichtung erforderlich. Dieses Objektiv finden Sie auch in meiner Novoflex-Seite.
Noflexar 3,5/35 mit Blendenvorwahl, bis 7 cm einstellbar (Abbildungsmaßstab 1:2), Filtergewinde M49x0,75.
Zum wohl Schönsten und zugleich qualitativ Hochwertigsten, was die optische Industrie für die Exakta zustande gebracht hat, gehört zweifellos die Macro-Objektiv-Serie von Steinheil Optik, München aus dem Jahr 1966. Diese vier Objektive - Macro-Quinaron 1:2,8/35 mm, Macro-Quinon 1:1,9/55 mm, Macro-Quinar 1:2,8/100 mm und Macro-Tele-Quinar 1:2,8/135 mm schufen neue Superlative: ein Makro mit dem kürzesten Objektabstand (0,5 cm!) und das mit 1:1,9 lichtstärkste Makro-Objektiv.
Macro-Quinaron 1:2,8/35 mm, ein 7-linsiges Spezialobjektiv mit zweifachem Auszug, bis 0,5 cm einstellbar (Abbildungsmaßstab 2:1), vollautomatische Druckblende mit automatischer Korrektur bei Naheinstellung, Filtergewinde M54x0,75.
Die drei Bilder vermitteln einen guten Eindruck über die Größenverhältnisse ohne bzw. mit 1 oder 2 Auszügen.
Macro-Quinon 1:1,9/55 mm, 6-Linser bis 4 cm einstellbar (Abbildungsmaßstab 1,4:1), vollautomatische Druckblende mit automatischer Korrektur bei Naheinstellung, Filtergewinde M54x0,75.
Alle 4 Objektive sind mit einem doppelten Auszug - von Steinheil Teleskop I und Teleskop II genannt - ausgestattet. Schon mit dem ersten Auszug werden bis dahin unmöglich geglaubte Nahentfernungen erreicht - bis 17 cm (Maßstab 1:1) beim 35er und mit dem Teleskop II sogar bis 0,5 cm (Maßstab 2:1, also doppelte Größe!). All dies ohne Vorsatzlinse, Zwischenringe oder Balgen und sogar mit vollautomatischer Druckblende. Darüber hinaus wird der Blendenwert mit zunehmender Nahentfernung noch automatisch korrigiert (die Blende öffnet sich stufenlos).
Die Objektive waren bei ihrer Vorstellung zunächst nur mit Exakta-Anschluss lieferbar. Bei der Erstfassung dieser Seite war mir nicht bekannt, ob später noch andere Anschlüsse produziert wurden. Steinheil stellte seine Objektivfertigung auch schon kurz nach der Markteinführung dieser Objektivreihe ein.
Mittlerweile bin ich jedoch im Besitz eines Macro Quinaron 2,8/35 mit Edixa-M42-Anschlussgewinde.
Macro-Quinon 1:2,8/35 mm, optische und mechanische Ausführung wie oben beschrieben, jedoch mit Anschlussfassung "Ed/Px" für M42-Anschlussgewinde.
Auch das Weitwinkelobjektiv Flektogon 2,8/35 aus der Fertigung von Carl Zeiss Jena zählt in der ab etwa 1963 gebauten Ausführung zur Gruppe der Makro-Objektive. Zwar wurde es nicht direkt als solches verkauft - dies war damals noch kein spezielles Verkaufsmerkmal. Doch seine Einstellentfernung bis 18 cm bei gleichzeitig automatischer Blendenkorrektur im Nahbereich, die bei etwa 30 cm einsetzt, machen es zu einer Besonderheit unter den damals angebotenen Weitwinkelobjektiven. Es ermöglichte als einziges Objektiv auch bei Nahaufnahmen bis zu einem Abbildungsmaßstab von 1:2 eine vollautomatische Blendensteuerung!
Der Vollständigkeit halber - auch das Teleobjektiv Jena S (Zeiss Sonnar) 4/135 verfügte über diese automatische Blendenkorrektur bei Naheinstellungen. Allerdings läßt die kürzeste einstellbare Entfernung von 1 m eine Einordnung in die Gruppe der Makro-Objektive nicht zu.
Im Bild sehen Sie ein Flektogon 2,8/35 in der ab 1966 vertriebenen Bauform im sog. "Zebra"-Design
Nicht in diese Gruppe will ich hier die Objektivköpfe aufnehmen, die z.B. Novoflex für die Verwendung mit Balgengeräten angeboten hat. Auch alle anderen längerbrenweitigen Objektive mit abschraubbarem Linsensatz lassen sich in dieser Weise verwenden. Selbst Vergrößerungsobjektive, die meist mit M39-Gewindeanschluss zu finden sind, sind ohne weiteres für die Makrofotografie mit Balgengeräten verwendbar. Dies ist jedoch keine Exakta-spezifische Anwendung mehr und würde den Umfang dieser Seite wohl sprengen. Ein wenig mehr hierzu finden Sie noch bei der Vorstellung der Novoflex-Balgen.
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