Die erste Kleinbild-Spiegelreflex-Kamera kam aus Dresden
Das 1912 in Dresden gegründete Ihagee Werk des Niederländers Johan Steenbergen hatte sich schon einen guten Ruf beim Bau von Spiegelreflexkameras erworben. Doch deren Größe und Gewicht waren im Leica- und Contax-Zeitalter nicht mehr zeitgemäß.
Bevor allerdings im Jahr 1936 die Kine Exakta eine neue Fotoepoche begründete, begann man schon 1930 mit der Entwicklung einer kompakten Kamera für den damals sehr beliebten 127er Rollfilm.
Die Kine Exakta folgte der Ur-Exakta im Jahr 1936. Das Objektiv bei der hier abgebildeten 1. Version mit der runden Sucherlupe ist das nur in sehr wenigen Stücken von Meyer Görlitz gebaute Exaktar 1:3,5 mit 5 cm-Brennweite.
Ende 1932 wurde an die Ihagee-Vertretungen im In- und Ausland eine Vorserie (mit Fabriknummern unterhalb 400.000) zur Begutachtung und Erprobung verteilt. Die Serienproduktion der Exakta 4x6,5 beginnt im Januar 1933, vorgestellt wird diese Kamera zur Leipziger Frühjahrsmesse. Hier ist die nur 750 g leichte Kamera eine kleine Sensation. Die vergleichsweise sehr kompakte Kamera benutzt den verbreiteten 127er Rollfilm für das Bildformat 4x6,5 cm, arbeitet mit einem Schlitzverschluß und hat einen Wechselanschluss für Objektive. Konstrukteur dieser Neuentwicklung ist Karl Nüchterlein.
Die "Standard" Exakta
1933 ist also das Geburtsjahr der Exakta. Zum ersten Mal wird das Spiegelreflex-Prinzip, bei dem das Aufnahmeobjektiv gleichzeitig auch das Sucherbild auf einer Mattscheibe entwirft, in einem Fotoapparat im Kleinformat verwirklicht. Diese erste Exakta hatte noch kein Langzeitwerk, keinen Schnellaufzug und keine Blitzsynchronisation, jedoch bereits den Exakta-typischen Tuchschlitzverschluss bis zur 1/1000s. Schon das erste Modell wird mit sechs (6!) verschiedenen Standardobjektiven angeboten! Eine Übersicht der in 6 Jahren Bauzeit ausgelieferten Typen dieser Kamera fällt nicht leicht. Wer die Absicht hegt, die Standard Exakta in den verschiedenen Varianten zu sammeln, wird einige Überraschungen erfahren.
Anfangs scheint es noch ganz einfach zu sein – die (Standard-)Exakta gibt es als Typ A ohne und Typ B mit Langzeiten. Doch wer sich intensiver mit diesem Kameramodell auseinandersetzt, kommt schnell zu der Einsicht: so leicht hat es die Ihagee uns Sammlern nicht machen wollen! In meiner Rubrik
Standard Exakta wird Ihnen jedoch geholfen.
Schon beim Namen beginnt die Verwirrung: im Erscheinungsjahr 1933 heißt die Kamera „Exakta“ – ohne jeden weiteren Zusatz. Es gab anfangs auch nur eine Ausführung – ohne lange Belichtungszeiten, also noch kein Modell A oder B! Diese Unterscheidung startet ab September 1933, als die Kamera wahlweise auch mit einem Langzeitenwerk erstanden werden konnte. Der Zusatz "Standard" taucht erst ab 1936 mit Erscheinen der Kine Exakta auf, aber auch nur in der Werbung und Literatur. Auf dem Typenschild steht immer nur Exakta, nie A oder B. Lediglich die sogenannte Volksexakta, die Exakta Junior, erhielt einen Zusatz "jr" im Frontschild. Doch die ersten Junior-Modelle hießen gar nicht Exakta – vielmehr stand "Ihagee" auf deren Typenschild.
(Sammler-)Namen dieser Exakta sind auch: VP-Exakta, Rollfilm-Exakta, Exakta 4x6,5, Exakta 127. Alle bezeichnen den gleichen Kameratyp.
Alles klar? Doch es geht noch weiter. Beim Update für meine Standard-Seite fand sich Anfang 2016 noch eine Ihagee Modell A (also ohne Exakta-Frontschild), die es bislang so gar nicht gegeben hatte. Umtriebige Sammler kennen auch ein Modell "C", das es wiederum werksoffiziell nicht gibt. Es handelt sich dabei um eine Exakta 4x6,5 mit einer Plattenrückwand. Zu dieser Plattenrückwand gehört ein passender Objektiv-Verlängerungsring, der mit der Kameranummer graviert ist. Nur mit diesem Ring, dessen Nummer mit der Nummer auf der Objektivfassung übereinstimmen muss, darf man sich über eine Exakta Modell C freuen.... Diese nun kann – je nach Grundvariante – ein Modell A oder auch B sein!
Gleiches gilt für die „Nacht Exakta“. Um eine solche handelt es sich nämlich, wenn die Kamera mit einem lichtstarken Objektiv (Nachtobjektiv - Biotar, Primoplan oder Xenon) gekauft wurde. Doch Achtung – eine echte Nacht-Exakta ist in der Regel mit der Fabriknummer auf dem Lichtschachtdeckel graviert! Gelegentlich finden sich aber auch Kameragehäuse mit lichtstarker Optik ohne solche Nummerngravur, z.B. wenn die Kamera im Ausland gekauft und etwa mit einem Dallmeyer super six 1,9 bestückt ist. Dann wurde nur die Objektivfassung getauscht um das lichtstarke Objektiv montieren zu können - ohne eine Nummer auf den Lichtschachtdeckel zu gravieren. Über die vielfältigen Gehäuse-/Objektivtubus-Tauschmöglichkeiten finden Sie weitere Hinweise in der Rubrik
Bauweise auf der Standard- und allgemein zur Vergabe der
Fabriknummer bei der Ihagee auf der Kine-Seite.
Immer noch alles klar? Es geht aber noch weiter – die ersten Exakta’s wurden ohne Blitzanschluss und Schnellaufzug ausgeliefert. Beides gibt es erst ab 1935 mit der dritten und vierten Baureihe (für alle Varianten). Dass es anfangs Unterschiede in der Firmenkennzeichnung auf dem Lichtschacht, bei Aufzugs- und Verschlussknöpfen, beim Objektivgewinde und beim Unendlich-Verriegelungshebel gab, lasse ich der besseren(?) Übersicht halber hier einfach mal weg. Das finden Sie aber in der Standard-Abteilung (Link weiter oben).
Mit Erscheinen der Kine Exakta wurde 1936 auch die Standard Exakta optisch aufgewertet – alle Modellvarianten waren jetzt mit Chromteilen erhältlich. Ob und in welchem Umfang die Chrombestückung erfolgte ist mir nicht vollends ersichtlich. Jedenfalls waren die Frontplatte, die Deckplatten, der Lichtschachtrahmen, die Objektivfassung, das Objektiv oder die Rückwandverriegelung Kandidaten für chromstrotzenden Luxus. Egal bei welcher Modellvariante, aber auch nicht bei jeder Kamera im gleichen Umfang...
Späte Ausführungen erhielten noch eine aufgeschraubte Frontplatte. Ich habe schon unter einer glanzverchromten Standard ein älteres noch schwarz lackiertes Modell auftauchen sehen! Ende 1939 wird die Produktion der Standard zugunsten der Kine Exakta eingestellt.
Die Kine Exakta
Der Ruf nach einer Kombination dieser technischen Meisterleistung mit dem immer beliebteren 135er Kleinbildfilm (Leica-Film) bleibt nicht lange ungehört. Zur Leipziger Frühjahrsmesse 1936 wird die „Kine Exakta“ mit einer dem Modell B entsprechenden technischen Ausstattung vorgestellt. Schon nach nur einem Produktionsjahr ist die „Kine“ die Erfolgs-Exakta. Die bisherige Modellreihe A, B usw. rückt mit dem Zusatz „Standard“ ins zweite Exakta-Glied, bleibt aber bis 1939 weiterhin im Fertigungsprogramm.
Die Konstruktion der Exakta war schon bei ihrer Vorstellung 1936 derart ausgereift, dass sie bis zur Produktionseinstellung nahezu 30 Jahre nur geringfügig verändert wurde. Dem Einzug der Elektronik in die Kameratechnik in den 60er Jahren konnte die Exakta allerdings kein Paroli mehr bieten. Mit dem Modell VX 500 verabschiedete sich im Jahr 1971 eine Kamera aus der Fotoszene, die weltweit für alle Spiegelreflexmodelle zum Vorbild wurde.
Übersicht der Exakta Baureihen nach ihrer Bauzeit
Trotz der langen Bauzeit ist die Anzahl der unterschiedlichen Exakta Modelle überschaubar. Es gibt allerdings innerhalb der Baureihen Varianten und Abweichungen im Detail. Auf meinen Exakta-Seiten finden Sie viele Informationen zu den einzelnen Baureihen und Modellen der Kamera und deren Zubehör. Die Seiten werden nach und nach ergänzt oder aktualisiert. Es lohnt also, hin und wieder hereinzuschauen.
Auch Nachfolgemodelle "Exakta's Erben" der Exakta, die "kleine Schwester" Exa, Umbau- und Exportvarianten finden sie in meiner Seite. Sollte ein Link mal nicht funktionieren, bitte ich um Nachsicht. Sie kommen dann mit der "zurück"-Funktion Ihres Browsers wieder auf die zuletzt besuchte Seite und können von dort aus weiter navigieren. Der "home"-Button auf jeder Seite führt Sie zur Startseite zurück.
Warum sammle ich Exakta?
Betrachter meiner Schätze zeigen manchmal Unverständnis: „warum hast Du von der gleichen Kamera so Viele, die sehen doch alle gleich aus?“ Gerade das – so zumindest empfinde ich es – ist das Besondere des Exakta-Systems. Zu ihrer Zeit ausgereift und ohne echte Konkurrenz, lag darin später der Grund für den
Niedergang dieser einst so stolzen Kamera.
Wenn Stillstand Rückschritt bedeutet, dann ist das Exakta-System Synonym dieser Erkenntnis. Ob damit zugleich Besseres zum Feind des Guten wurde, ist dagegen eine ganz andere Frage. Die beantwortet sich hin und wieder auf unerwartete Weise, wenn man mit einer klassischen Exakta zu besseren Fotoresultaten kommt, als jemand mit einer hochmodernen Digitalausrüstung...
Es dürfte nicht viele Kameras mit einer eigenen Briefmarke geben. Hier eine Exakta Varex VX auf einer DDR-Briefmarke zur Leipziger Messe 1955.
Das mag vielleicht auch nur etwas mit der Arroganz zu tun haben, mit den in Zeiten der „richtigen Fotografie“ erworbenen Fertigkeiten nicht auf die Multi-Automatiken bei dem „neumodischen Kram“ angewiesen zu sein (oder ist es doch Besserwisserei?). Andererseits erklärt solch pseudophilosophische Fotobetrachtung nicht das Interesse am Exakta-System auch jüngerer Sammler, denen die Exakta zu ihren Lebzeiten noch gar nicht begegnet sein konnte.
Bei mir sind die Ursachen aber eindeutig historisch begründet, wie ich an anderer Stelle
me and my Exakta ausführlicher berichte. Hier deshalb nur eine ergänzende Bemerkung.
Zu Beginn der 60er Jahre begann mein Amateurfotografendasein mit dieser feinen Kamera gerade zu einer Zeit, als sich die Endzeitstimmung schon über sie ausbreitete. Dessen war ich mir aber noch nicht bewusst. Die Vielfältigkeit der Exakta faszinierte mich. Als ich 1970 im Kaufhof eine ELBAFLEX mit einem Schneider Xenon 1,9/50 als Sonderangebot für 198 DM erwarb, glaubte ich noch das Schnäppchen für mein restliches Leben gemacht zu haben. Dass bereits bessere Kameratechnik verfügbar war, bemerkte ich bald an den Macken dieser „Weiterentwicklung“.
Mein Widder-Dickkopf ließ mich aber noch einige Zeit an der Exakta festhalten. Immerhin hatte ich väterlicherseits so viel Fotopraxis mitbekommen, dass meine fotografischen Ergebnisse mit Exakta IIb, Exa IIb und Elbaflex immer noch besser waren als diejenigen meiner Altersgenossen mit aktuellen Japanern. Erst Mitte der 70er Jahre rang auch ich mich zu einem Wechsel zu einer OMI durch.
Die wenige Jahre später erwachte Sammelfreude war dann zunächst eher nostalgisch geprägt. Erst mit den Jahren kam mehr und mehr der Wunsch hinzu, auch sammlerisch zu dokumentieren, weshalb die deutsche Kameraindustrie trotz ihres zeitweilig großen Qualitätsvorsprungs an der japanischen Konkurrenz scheitern musste. Mit der Dokumentation meiner Sammlung in dieser website begann ich im Jahr 2007, dank damaliger Unterstützung meiner Tochter Alina.
Damit soll es hier aber auch genug sein mit der Erklärung „warum ich Exakta sammle".
Posted 2008/02/24; last updated 2023/01/21 Copyright © 1991-2023 by Horst Neuhaus