Die wohl exklusivste Objektivmarke für die Exakta ist Rodenstock. Das Münchener Traditionsunternehmen für optische Geräte begründete seinen Ruf für besonders hochwertige Objektive mit dem Bistigmaten, der 1881 entwickelt wurde. Zuvor wurden schon in Würzburg Messinginstrumente gebaut. Weltruf erlangte das Unternehmen mit dem Imagon, ein Fachobjektiv, das mit der Anwendungsbestimmung „Weichzeichnerobjektiv“ nur höchst unzureichend beschrieben ist.
In den Jahren bis zum 2. Weltkrieg wurden zwar auch Kameras und fototechnische Geräte produziert, die fotografische Fachwelt schätzte jedoch vor allem die hochwertigen Objektive, deren Linsen Rodenstock in einem eigenen Glaswerk im Bayrischen Wald fertigte.
Erst nach 1945 entwickelte Rodenstock Objektive für Kleinbildkameras und baute diese auch in Auftragsfertigung für andere Hersteller. Für Zeiss Stuttgart beispielsweise wurde das Novar hergestellt. Rodenstock stellte auch hochwertige Filter her und produziert bis heute Brillengläser.
Für Fachfotografen fertigte Rodenstock bis in die jüngste Zeit Objektive für Großbildkameras, Vergrößerungsgeräte und Projektion. Eine besondere optische Delikatesse gelang mit dem Heligon. Die 6linsige Gauss-Konstruktion gilt bei Fachfotografen als eines der besten lichtstarken Normalobjektive. Am bekanntesten ist das Heligon wohl in der Satzobjektiv-Version Heligon-C für die Kodak Retina.
Bereits 2 Jahre vor dem Start der Automatik-Objektive bot Rodenstock ein hochwertiges 4linsiges Objektiv in Normalbauweise mit Exakta-Bajonett oder M42-Gewindeanschluss an. Das Yronar 1:3,5 135 mm hat Blendenvorwahl, der Objektivkopf kann von der Fassung abgeschraubt werden und ist bis Blende 32 abblendbar. Damit eignet sich das Objektiv ausgezeichnet für die Makrofotografie mit einem Balgengerät. Allerdings hat das Zwischengewinde ein recht exotisches Gewindemaß (42,5 mm) so dass es nicht leicht sein dürfte, einen passenden Anschlussring für die üblichen Novoflex-Balgengeräte (EXYR) oder gar andere zu finden.
Das normal gebaute Yronar 1:3,5 135 mm (keine Telekonstruktion!) mit abschraubbarem Objektivkopf. Es wurde ab etwa 1954 sowohl mit Exakta Bajonett als auch mit M42-Gewinde angeboten.
Erst 1956 bot Rodenstock auch eine Wechselobjektivserie für die Exakta und (baugleich mit M42-Gewinde) auch für die Edixa an. Zur Photokina im Herbst 1956 erschienen vier Brennweiten zwischen 30 bis 135 mm. Zwei Jahre darauf folgte mit dem Rotelar 4,5/180 noch ein Extrem-Tele.
Alle vier Brennweiten der im Jahr 1956 vorgestellten Rodenstock Automatic-Serie. Das Eurygon 2,8/30, Heligon 1,9/50 und Rotelar 4/135 haben Exakta-Bajonettanschluss. Das Rotelar 4/100 (ganz rechts) hat M42-Gewindeanschluss, jedoch ebenfalls Außen-Auslösung für die Blendenautomatik.
Als „Normalobjektiv“ wählte Rodenstock das in anderen Fassungen schon bewährte Heligon, jedoch mit einem Bildwinkel von 48°. Bei Kleinbild-Spiegelreflexkameras braucht der Klappspiegel zwischen Objektiv und Film einen definierten Raum für seine Bewegung. Somit muss die letzte Objektivlinse einen bestimmten Mindestabstand von der Filmebene haben. Bislang konnten 6-linsige Gauss-Objektive dieser Forderung bei der Standardbrennweite von 50 mm und 45/50° Bildwinkel nicht entsprechen. Die klassischen lichtstarken SLR-Objektive, das Biotar 2/58 oder das Primoplan 1,9/58 hatten deshalb eine längere Brennweite.
Rodenstock gelang es jedoch, trotz enger Toleranzen 50 mm Brennweite mit dem Heligon zu erreichen. Vergleichbare Objektive gab es damals nur von P. Angenieux (S21) und Schneider (Xenon). Obwohl das Heligon 1:1,9/50 mm mit seinem Bildwinkel von 48° die Normalbrennweite 50 mm für Spiegelreflexkameras möglich machte, blieb ihm ein durchschlagender Erfolg versagt. Das Objektiv mit automatischer Druckblende wurde nur drei Jahre für die Exakta und mit M42-Gewinde für die Edixa auch nicht wesentlich länger angeboten.
Rechts Heligon 1:1,9 50 mm mit automatischer Druckblende
Alle Objektive der 1956er Serie waren optisch und mechanisch vom Feinsten und entsprechend teuer. Eine feinmechanische Besonderheit der Druckblendenkonstruktion offenbart sich bei der Demontage – die Auslöseübertragung erfolgt durch Seilzug!
Für uns Sammler ein kleiner Makel ist die vergleichsweise schlechte Haltbarkeit der Oberflächenbeschichtung der Fassung. Die nur selten angebotenen Rodenstock Objektve dieser Serie für die Exakta oder Edixa sind oft stark abgegriffen oder zerkratzt, die Gravuren für Fokus und Blende vielfach unleserlich.
Bild rechts: Im Inneren des Kameraanschlussringes der Rodenstock-Objektive mit Auslöserarm wird die Betätigung der Druckblende durch ein kleines Seil übertragen.
Zu der Rodenstock SLR-Objektivserie – bis auf das schon vorher angebotene 135er Yronar - im ähnlichen schwarz/chrom-Design wie die damaligen Objektive von Schneider Kreuznach gehörten:
Eurygon 2,8/30 | 7 Linsen | Rastblende | Edixa |
Eurygon 2,8/30 | 7 Linsen | automatische Blende | Exakta / Edixa |
Heligon 1,9/50 | 6 Linsen | Springblende (Aufzug) | Edixa |
Heligon 1,9/50 | 6 Linsen | automatische Blende | Exakta / Edixa |
Rotelar 4/100 | 5 Linsen | automatische Blende | Exakta / Edixa |
Rotelar 4/135 | 5 Linsen | automatische Blende | Exakta / Edixa |
Yronar 3,5/135* | 4 Linsen | Blendenvorwahl | Exakta / Edixa |
Rotelar 4,5/180* | 5 Linsen | Blendenvorwahl | Exakta / Edixa |
Die Automatikobjektive für die Edixa sind teils mit Auslösearm für die frühen Modelle, teils mit Innenauslösung ab Modell B zu finden. Mir ist nicht bekannt, ob dies für alle Brennweiten zutrifft. Die Objektive sind zu selten, um in größerem Maße Vergleiche anstellen zu können. Bei den mir bekannten Varianten des Heligon 1,9/50 hat die Exakta-Version den üblichen Auslösearm und eine automatische Druckblende. Die M42-Ausführung mit Innenauslösung der Blende hat jedoch eine Springblende, die nach jeder Betätigung wieder ausgelöst werden muss.
Die M42-Objektive mit Auslösearm für die Edixa sind wiederum ebenfalls mit automatischer Druckblende ausgerüstet. In einer Werbeanzeige aus dem Jahr 1958 bietet Rodenstock hingegen beide Anschlussvarianten (Exakta und Edixa) mit Automatikblende an. Für die Edixa gehörte ein Heligon zur Auswahlausstattung beim Kamerakauf, zur Exakta wurde es nur in den Preislisten 1959/1960 als Zubehör angeboten (405 DM).
Wie schon die weiter oben abgebildete Exakta war auch eine Edixa Modell D mit einem Heligon 1,9/50 damals in gleicher Weise eine Traumkombination für den Fotoamateur wie sie es heute für uns Sammler ist. Dieses Heligon (Nr. 3.857.238) hat eine Springblende mit Innenauslösung. Die Springblende dieses Objektivs muss - im Gegensatz zur Exakta-Ausführung - durch Drehen des Blendenstellknopfes gespannt werden.
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