Unterscheiden sich die drei Kine Exakta-Versionen aus den Jahren 1936 - 1943 nur in Details, zeigt sich die Entwicklung der Kamera in den Jahren nach Kriegsende in einem ganz anderen Licht. Dies sowohl unter sammlerischen als auch unter technischen Gesichtspunkten. Hier kann - besser noch muss - man tatsächlich drei unterschiedliche Modelle der Kine Exakta betrachten. Diese möchte ich Ihnen auf dieser Seite mit den äußerlich erkennbaren Unterschieden vorstellen:
Kine Exakta Modell 4 (unterschieden nach der Fertigung mit ausschließlich Vorkriegs- bzw. Vorkriegs- und Nachkriegsteilen),
Kine Exacta (sog. C-Exakta oder Reparationsexakta),
Kine Exakta II (Versionen 1 + 2).
Bild rechts - Werbeanzeige für die Kine Exakta II im Jahr 1949 - ein Klick darauf vergrößert das Bild
Bitte lesen Sie hierzu auch die Ausführungen auf der Kine Exakta-Hauptseite zur Vor- und Nachkriegsproduktion nach der kriegsbedingten Produktionseinstellung der Kine Exakta im März 1940, etwa bei Fabriknummer 597xxx.
Eine regelmäßige Struktur der Unterschiede nach der Nummernfolge ist bei den 1945/1946 gebauten Kameras nicht erkennbar. Vielfach wurden Altteile aus Vorkriegsbeständen und Neuteile bei der Produktion zusammen verwendet und oft unterscheiden sich Kameras aus dieser Zeit - selbst bei nah beieinanderliegenden Nummern - in Details. Einheitliches Merkmal dieser Modellvariante 4 ist eigentlich nur das ursprüngliche Typenschild „Exakta“.
Mit der Nr. 611.453 ist mir die erste „C“-Exakta bekannt, regelmäßig tauchen diese Typenschilder dann ab etwa Nr. 613xxx auf. Produktionszahlen sind jedoch im Einzelnen nicht bekannt bzw. nicht schlüssig, Richard Hummel nennt in einer Tabelle nur 320 produzierte Exakta für 1945. Für die Nachkriegsfertigung bis 1948 gibt er insgesamt 35.821 Stück an (davon 16.920 Exacta „C“). Tatsächlich dürften maximal noch 4.000 Kameras mit dem Typenschild „Exakta“ ausgeliefert worden sein und etwa 35.000 vom Reparationsmodell „C“.
Mit den 1944 ausgelagerten Teilen wird die Fertigung schon im August 1945 wieder aufgenommen. Somit entsprechen die ersten aus daraus gebauten Kameras in den allermeisten Fällen der Vorkriegsausführung (verchromte Gehäuse, Langzeitknopf mit Rille, Ihagee-Prägung auf Rückdeckel). Auch die Chrom-Qualität der Typenschilder-Altbestände ist erkennbar besser als die der Nachkriegsprodukte. Anfangs mussten nur ganz wenige Teile (Montagezubehör, wie Schrauben oder Federn) beschafft werden - oft in mühsamer Einzelfertigung.
Mit dem Aufbrauch der vorhandenen Teile wurde nach und nach immer mehr Neufertigung benötigt. Dies wird äußerlich bei den Gehäusen ab etwa Produktionsnummer 610.xxx sichtbar, obwohl diese noch mit den Typenschildern in der traditionellen Schreibweise "Exakta" versehen sind.
Kine Exakta 4. Modell
frühe Nachkriegsfertigung (1945)
(Richard Hummel-Modell 006)
Produktionszeit: 8/1945 – ca. 11/1945
Produktionsnummern: 608.477 - ca. 609.796
Stückzahl: ca. 1.000
Varianten:
608.477-609.796 - die Gehäuse und Bedienungselemente entsprechen der Vorkriegsausführung
ab etwa 609.700 - Verwendung neuer Anbauteile (Frontschilder), aber noch alte Gussgehäuse
609.875-616.186 - wohl neu gefertigte, jetzt unverchromte Gehäuse, teils alte, teils neue Teile
Fotos oben und unten zeigen die erste mir bekannte Kine Exakta (Nr. 608.646) aus Nachkriegsmontage, etwa August 1945. Sie entspricht völlig der von den Vorkriegskameras bekannten Bauweise. Diese Kamera ist mit einem "Bimetall"-Biotar Nr. 2.825.925 bestückt. Auch dieses Biotar 2/5,8 cm wurde aus Materialbeständen der Vorkriegsära gefertigt. Während der hintere Fassungsteil (mit dem Kamerabajonett) aus verchromtem Messing besteht, sind die beweglichen vorderen Fassungselemente aus Aluminium. Es ist eines der ersten Biotare aus Nachkriegsproduktion, bereits T-vergütet.
Nach Aufbrauch der Altteile begann 1946 die Neufertigung. Sichtbar wird dies an den nun nicht mehr verchromten, sondern nur noch polierten Gehäuse-Zierleisten und schlechter Verchromung von Typenschildern und Gehäusedeckeln. Weder waren die Galvanik für die Gehäuseverchromung noch das notwendige Rohmaterial hierfür vorhanden. Veränderungen sind auch am Langzeitknopf (neue Version ohne Rille, 1/5s statt 1/10), der fehlenden Ihagee-Prägung im Rückenleder und (später) an den Bajonettringen aus Alu zu bemerken; der Verschlussknopf und das Filmzählwerkrad werden im Durchmesser verändert. Überwiegend wird jetzt auch der von RH einer Ausführung 005 zugeordnete ungeprägte Lichtschachtrahmen eingebaut.
Kine Exakta 4. Modell
frühe Nachkriegsfertigung - teils aus Alt-, teils aus Neuteilen (1945/1946)
(Richard Hummel-Modell 006)
Produktionszeit: ca. 11/1945 – Frühjahr 1946
Produktionsnummern: 609.xxx - 613.597
Stückzahl: ca. 3.000
Varianten:
608.477-609.796 - die Gehäuse und Bedienungselemente entsprechen der Vorkriegsausführung
ab etwa 609.700 - Verwendung neuer Anbauteile (Frontschilder), aber noch alte Gussgehäuse
609.875-616.186 - wohl neu gefertigte, jetzt unverchromte Gehäuse, teils alte, teils neue Teile
611.501 Beginn der Nachkriegsproduktion (lt. Richard Hummel)
613.597 - unverchromtes Gehäuse, aber Langzeitknopf noch mit Rille, jedoch bereits mit 1/5s; keine Ihagee-Prägung, Typenschild „Exakta“ schlecht verchromt (gelblich)
Kine Exakta aus der frühen Nachkriegsfertigung, wohl Anfang 1946
Ein typisches Beispiel für die Kameras aus den ersten Produktionsmonaten des Jahres 1946 will ich Ihnen anhand einer Kine Exakta mit der Seriennummer 613.597 zeigen. Die meisten Gehäusebauteile stammen hier entweder aus Nachkriegsfertigung oder wurden nach dem Krieg zusammengestellt (fehlende Ihagee-Rückwandprägung). Das Gehäuse ist bereits ein Neuguss mit der Aussparung für den späteren Wechselsucher, hat jedoch noch die Befestigungen für die alten Riemenösen (hängende Ösen). Bedienungsteile, Deckplatten und Sucher sind offensichtlich noch Altbestände. Allerdings hat das Bildzählwerk bereits die Stellschrauben in Position 5+26 wie sie erst bei den späteren Scheiben mit größerem Durchmesser eingesetzt wurden. Der Langzeitenknopf ist schon mit 1/5s graviert.
Bei dieser Kine - einer der allerletzten mit dem ersten "Exakta"-Schild - will so gar nichts mehr in ein Einordnungsschema passen: der Verschlusszeitenknopf mit 18 mm Durchmesser und Punktmarkierung und der Langzeitknopf (hier aber bereits mit 1/5 s graviert!) stammen aus der Vorkriegsproduktion. Ebenso die kleine Scheibe des Bildzählwerkes, die Stellschrauben sind aber bereits auf 5+26 gesetzt. Das Gehäuse - ein Neuguss - ist unverchromt, aber noch mit alten Riemenösen-Halterungen. Das Spiegelgehäuse ist gleichfalls neu gefertigt - man erkennt an der ungeschwärzten(!) Front schon die Vorbereitung für den Wechselsucher, der aber erst 4 Jahre später mit der Varex kommt. Der Lichtschachtrahmen entspricht der Hummel-Version 005; die Rückwandbelederung hat keine Ihagee-Prägung mehr. Und die Frontschilder outen sich durch schlechte Chromqualität eindeutig als Nachkriegsversion. ...
Alle Unegalitäten führten jedoch nicht zu Quälitätseinbußen bei dieser Kamera. Obwohl sie erkennbar viel benutzt worden ist, funktioniert sie noch tadellos! Zwar wurde eine komplette Wartung nötig, um Alles wieder so ablaufen zu lassen, wie es sein soll. Jedoch sind bis auf einen erneuerten Spiegel alle Originalteile an und in dieser Kamera vorhanden. Vielleicht ist sowas nix für Sammler, die ihr Seelenheil nur in chromblitzenden Ausstellungsstücken im Originalkarton finden. Doch spiegeln gerade solche Geräte die Fertigungsgeschichte in besonders anschaulicher Weise wider und machen unsere Sammelei dadurch zu mehr als nur einem Zusammenkaufen alter Gerätschaften.
Ein wenig durcheinander ging es vor allem mit den Bedienungsknöpfen. Beim Bildzählwerk sitzen die Stellschrauben anfangs bei 14+35 (wie zuletzt bei den Vorkriegs-Modellen), später wieder bei 5+26. Der Verschlussknopf hatte teils 18, teils 19 mm Durchmesser und anfangs noch Punktmarkierungen, die durch Striche vor den Verschlusszahlen ersetzt wurden. Auch ist der Langzeitknopf manchmal in der alten Version (mit Rille) zu finden, jedoch statt mit der bei dieser Ausführung gewohnten 1/10s nun mit 1/5s.
Die Einstellschrauben der Bildzählwerkscheibe saßen zunächst bei 14 und 35 und wurden im Laufe der Produktion auf 5 und 26 umgesetzt. Dabei wurde auch der Scheibendurchmesser vergrößert. Alte und neue Scheibe sind übrigens nicht kompatibel!
Auch der Verschlussknopf wurde verändert. Die erste Version (mit Punktmarkierung, Bild links) ist sowohl mit 18 als auch mit 19 mm Durchmesser zu finden. Die Verschlussknöpfe alt und neu sind übrigens nicht austauschbar, weil auch die Zahnradaufnahme im Gehäuseinneren verändert wurde.
Das erste Bild in der oberen Reihe zeigt die alte, das zweite die neue Version des Langzeitknopfes. Darunter ist links der "alte" Knopf, aber bereits mit 1/5s graviert, zu sehen. Daneben die erneut veränderte Form der Kine Exakta II aus der Bauzeit 1950. Diese Form wurde auch für die Exakta Varex übernommen. Neben der veränderten Ausführung wurde auch die kürzeste Zeit durchgängig auf nunmehr 1/5s (alt 1/10s) geändert.
Verschiedene Ausführungen der Bajonettanschlussringe der Kine Exakta aus Nachkriegsfertigung. Links oben der auch vor dem Krieg verwendete Ring aus verchromtem Messing. Daneben ein ebenfalls messing verchromter Ring, der innen schwarz ausgelegt ist. Mitte links eine Alu-Ausführung, ebenfalls innen schwarz ausgelegt. Daneben ein Messingring bei dessen Herstellung wohl gerade kein Chrom verfügbar gewesen ist...
In der unteren Reihe die bei der Kine II (und auch noch bei der ersten Exa) übliche Ausführung in Alu schwarz. Außerdem ist hin und wieder auch ein blanker Alu-Ring ohne innere schwarze Mattierung zu finden.
Die Ringe haben noch kein Außenbajonett, mit dem erst die Exakta Varex VX regelmäßig ausgestattet wurde.
Die Position der Lupe zur Vergrößerung des Mattscheibenbildes wurde mit der Kine Exakta II verändert. Das linke Bild zeigt die anfangs direkt über der Mattscheibe angeordnete Lupe mit der nur ein Ausschnitt des Sucherbildes vergrößert wird. Rechts die ab 1949 eingeführte Ausführung, die das ganze Sucherbild vergrößert.
Rückwandausführungen der frühen Nachkriegs- Kine Exaktas, oben mit dem in das Leder geprägten "Ihagee"-Schriftzug, wie bei den Vorkriegsmodellen. Das untere Bild zeigt die Rückwand ohne Herstellerprägung, wie sie bei der "C" zu finden ist. Die gleiche Lederstruktur läßt erkennen, dass aber offenbar noch Vorkriegsvorräte vorhanden gewesen sind.
Die Vorkriegsbestände wurden überwiegend noch für Kameras mit dem Typenschild Exakta verbaut. Mit Beginn der Nachkriegsproduktion musste die Ihagee ab 1946 einen Großteil der Fertigung als Reparationsleistung an die Sowjetunion liefern. Für die Werksleitung war dies durchaus ein Vorteil, weil damit eine Abnahmegarantie für die Produktion bestand. Die Bezahlung dieser Reparationen erfolgte vom Land Sachsen.
Diese - mit dem Typenschild „Exacta“ versehenen Kameras - wurden in geringeren Stückzahlen auch in westliche Länder exportiert. Nur ganz wenige Kameras - wenn überhaupt - sind in den Jahren 1946-1948 in Deutschland verkauft worden. Diese wären dann auch mit einem Typenschild "Exakta" ausgestattet worden. Tatsächlich sind in der Nummernreihe der Kine "C" auch Kameras bekannt, die in der übrigen Ausführung dem "C"-Modell entsprechen.
Wegen der leichten Austauschbarkeit der Schilder können solche Kameras meines Erachtens nicht als eigenständige sammelnswerte Variante angesehen werden. Es bleibt jedem Sammler überlassen, ob und welche derartiger - möglicherweise umgebauten - Gehäuse er in seinen Bestand einreiht. Wenn sie denn nun schon einmal da sind, lassen sie sich recht gut den Umbauten zuordnen, denen ich noch in einer eigenen Rubrik einen Platz einräumen werde.
Fotos oben und unten - eine von vergleichsweise nur wenigen in westliche Länder exportierten "C"-Exaktas, hier eine Kamera (Nr. 615.777) aus der Schweiz. Gut zu erkennen - die veränderte Ausführung der Lichtschachtabdeckung mit einem glatten Blech, die von Richard Hummel einem Modell 005 zugeordet wurde (s. Text zur Vorkriegsausführung der Kine Exakta).
In der technischen Ausführung entsprach diese Reparations-Exacta weitgehend dem Vorgängermodell, bis auf die Zeiteinstellung 1/5 s (bisher 1/10 s) am Langzeitenwerk mit dem neuen Aufzugsknopf und veränderten Riemenösen. Das Typenschild blieb zweiteilig. Damit kann das Exakta/Exacta-Schild bei Reparaturen usw. leicht ausgewechselt werden. Die Nachkriegsschilder sind aber meist an einer schlechten Chromqualität (oft gelblich) erkennbar. Falls nicht auch die Innengehäuse ausgetauscht wurden, sind solche Manipulationen aber an der Fabriknummer im Gehäuseinneren schnell festzustellen.
Auf diesen beiden Fotos ist die dünne Verchromung der meisten "C"-Exaktas aus den Jahren 1946-1948 gut zu erkennen.
Es läßt sich nur darüber spekulieren, ob unterschiedliche Qualitäten für die Reparationslieferungen und die wenigen West-Exporte gefertigt worden sind.
Allerdings habe ich bei Export-Modellen durchweg bessere Erhaltungen bemerken können, als bei den Kameras, die seit Anfang 1990 in größeren Stückzahlen aus Russland hier auftauchten (s. Fotos weiter unten).
Das Filmzählwerkrad und der Verschlussknopf erhielten einen Durchmesser von 19 mm (bisher 18 mm). Der Lichtschachtrahmen war durchgängig ohne Prägung und der Knopf des Langzeitenwerkes ohne Querrille. Späte Kameras wurden auch schon mit der veränderten Sucherlupe (mit Abdeckung) der Kine II ausgerüstet. Das Spiegelgehäuse war nicht mehr mit Matt- oder Kräusellack beschichtet, sondern gerillt.
Auch das Filmmesser, dessen Befestigungsschraube, die Filmspule und Filmandruckplatte (bisher blank, jetzt schwarz) wurden im Laufe der Produktionszeit verändert. Es finden sich weitere, überwiegend wohl nur fertigungstechnisch bedingte Unterschiede im Detail: Langzeit- oder Verschlussknopf wurden mit teils feinen oder kräftigeren Gravuren versehen. Der Bajonettring ist teils messing verchromt, oft aus alu. Die Belederung war anfänglich fein genarbt (wohl alte Lederbestände).
Spätere Modelle hatten eine grob genarbte Belederung, vergleichbar der Kine II. Nur wenige Kameras haben eine Prägung im Bodenleder, erst ab 1949 ist dort häufiger „Made in Germany“ zu finden. Insgesamt wirkt die Fertigungsqualität der C-Exaktas und auch der Kine II "rustikaler" im Vergleich zu den Vorkriegskameras.
Nach einer von Richard Hummel veröffentlichten Tabelle wurden
zwischen 1946 und 1949 insgesamt 51.494 Kine Exakta I, II und C produziert. Davon entfallen - nach seiner Angabe - allein auf Reparationen 19.581 Stück; 24.844 sind als UdSSR-Exporte und 3.788 für sowjetische Inlandsbedarfsträger ausgewiesen. Lediglich 2.251 Stück sind als West-Exporte und gar nur 1.030 als Inlandslieferung vermerkt. Im Jahr 1946 wurden danach ausserhalb des UdSSR-Bedarfs ganze 6 Kameras ausgeliefert!
Dennoch sind gerade die Kameras mit Exacta-Typenschild – die sogenannten Reparations- oder „C“-Exaktas nicht unbedingt selten. Offenbar betrieben die sowjetischen Empfänger mit den gesuchten Geräten einen lukrativen Handel. Auch aus dem Empfängerland Russland gelangte eine sicher nicht geringe Stückzahl gleich wieder in die USA.
Nach der Öffnung des "eisernen Vorhangs" tauchten seit Beginn der 1990er Jahre immer mehr "C"-Exakta's aus Russland und anderen ehemaligen UdSSR-Staaten im Westen auf.
Vielen sieht man an (Exacta 621.237 mit Ludwig Victar), dass Sie als Arbeitspferde ihren Dienst verrichtet haben ....
Hier noch eine weitere Kine Exacta (Nr. 638.558) aus dem Jahr 1948, aufgrund Ihres Erhaltungszustandes offenbar auch ein "West-Export". Interessant an dieser Kamera ist der Sucher mit Abdeckkappe und der nach oben verlegten Betrachtungslupe. Mit dieser neuen Lupe war jetzt das gesamte Mattscheibenbild zu überblicken. Die bisherige Lupe direkt über der Mattscheibe zeigte nur einen Bildausschnitt. In dieser Ausführung wurde der Sucher ab Modell Kine II eingebaut. Ein Vergleichsfoto der beiden Lupen finden Sie weiter unten.
Entweder handelt es sich bei dieser Kamera um eine Nachrüstung oder um eine (nur bei Lieferung in westliche Länder?) bereits mit dem neuen Sucher ausgerüstete Kamera. Umbauspuren sind jedenfalls nicht zu erkennen. Allerdings sind mir bekannte C-Exakta's ansonsten noch bis zum Produnktionsjahr 1949 mit dem Lichtschachtsucher ohne Lupendeckel und der niedrig montierten Lupe bestückt.
Bemerkenswert an dieser Kamera ist auch die Objektivbestückung mit dem selten auftauchenden Ludwig >Victar< ohne Fabriknummer. Dieser Dreilinser 1:2,9 F=5cm ist der Vorläufer des späteren Meritar und wurde in der frühen Nachkriegszeit nur in kleinen Stückzahlen gebaut (mehr dazu auf meiner Objektivseite bei "Ludwig").
Die Kamera hat übrigens einen Alu-Bajonettring ohne geschwärzte Innenflanke, also in der von mir weiter oben bereits erwähnten weiteren Ausführung.
Eine der letzten Kameras aus der Kine I-Baureihe (#645 678), gebaut Anfang 1949. Die Belederung weist hier bereits die gleiche grobe Struktur auf, wie sie auch bei den nachfolgenden Gehäusen der Kine II zu finden ist. In das Bodenleder ist "Made in Germany" geprägt.
Diese zweite Nachkriegsversion der Kine Exakta blieb zwar technisch unverändert, wurde jedoch erstmals seit Produktionsbeginn äußerlich deutlich erkennbar überarbeitet. Auffälligste Änderung war die jetzt einteilige Frontplatte mit der Gravur „II“ unterhalb des Exakta-Schriftzuges.
Das Typenschild der Kine Exakta II, links in der ersten
und rechts in der zweiten Ausführung. Beide Versionen wurden meistens mit einem Bajonettring aus schwarz eloxiertem Aluminium ausgeliefert. Seltener sind blanke Bajonettringe - wie bei der 2. Version abgebildet - montiert worden.
Die Sucherlupe wurde (ausgeklappt) an den oberen Lichtschachtrand verlegt, damit war jetzt das gesamte Mattscheibenbild sichtbar. Als Sammellupe wurde dafür eine plankonvex geschliffene Linse eingesetzt (Foto s. weiter oben). Das Bildzählwerk wurde - bis auf das Sichtfenster und die Einstellöffnung - abgedeckt und die Rückspularretierung durch einen kleinen Klapphebel ersetzt.
Der Langzeitknopf erhielt eine geringfügig veränderte Form mit einer abgeschrägten Basis (Foto s. weiter oben). In dieser Ausführung wurde er später auch bei der Varex verwendet. Als Objektiv-Bajonettring fand vorübergehend eine Ausführung aus schwarz eloxiertem Aluminium Verwendung.
Zwar war die Ihagee in Dresden von der Währungsreform in den drei Westzonen am 20. Juni 1948 nicht unmittelbar betroffen. Dennoch bemerkte man auch hier, dass mit der neuen D-Mark ein Nachfrageaufschwung verbunden war, der auch den Markt für Fotoerzeugnisse beförderte. Zu dieser Zeit galt die Exakta noch nicht als "ostdeutsches" oder gar DDR-Produkt, zu dem sie sich ab den 1960er Jahren entwickelte. Schon vor der Währungsreform und erst recht danach waren die Kleinanzeigensparten aller Zeitungen und Zeitschriften gut gefüllt mit Suchanzeigen nach hochwertigen Fotogeräten. Neben Leica, Contax oder Rolleiflex gehörte auch die Exakta dazu. Auch die wenigen Photoblätter dieser Jahre waren voll von Suchanzeigen nach Kine Exakta und Zeiss Objektiven.
In der Ihagee produzierte man in dieser Zeit in erster Linie für den Export PhotoPresse 5.11.1948. In Deutschland waren nach Kriegsende zunächst keine Exakta's erhältlich, zumindest nicht legal. Auf dem Schwarzmarkt gingen die Preise in die Tausende – ein Vielfaches der Listenpreise. Soweit damals überhaupt Kameras in den Handel gelangten, wurden sie nicht selten mit Objektiven aus Vorkriegsfertigung – auch gebraucht – bestückt. Mit der beginnenden Stabilisierung der wirtschaftlichen Situation im Nachkriegsdeutschland entstand auch für die Hersteller von Fotogeräten eine veränderte Lage. Alte Produkte wurden wiederbelebt, neue entstanden. Dies galt zunächst in vergleichbarem Maße sowohl für die Unternehmen in Deutschlands Westzonen als auch in der Ostzone.
Auch die Kine II gab es zu ihrer Zeit in deutschen Fotoläden so gut wie nicht zu kaufen. In ersten Lieferlisten nach der Währungsreform war die Kamera mit den Objektiven Zeiss Tessar 3,5/5cm, Zeiss Tessar 2,8/5cm (das ist die flache Alu-Version) und Zeiss Biotar 2/5,8 cm aufgeführt, Preise wurden nicht genannt. Diese drei Normalobjektive wurden von Zeiss Jena bereits wieder gefertigt. Exportkameras waren auch mit Schneider Xenar 3,5/5 cm oder Xenon 2/5 cm bestückt.
Bei der Beschreibung der Kine ExaCta (Reparationsmodell) habe ich eine Kamera (Nr. 638 558) aus dem Jahr 1948 gezeigt, die bereits mit dem neuen Sucher der Kine II ausgestattet ist. Dass die Ihagee im Gegensatz dazu auch in einem neuen Modell noch Teile aus der früheren Produktion verwendet hat, zeigt diese frühe Kine Exakta II (Nr. 650 373). Es ist keine Umbaukamera, die Fabriknr. fällt in die Produktionszeit der Kine II. Allerdings ist als Sucher noch die alte Version mit der tiefliegenden Lupe und ohne Abdeckung eingebaut. Auch die Belederung (fein geprägt) und der blanke Alu-Bajonettring entsprechen der bisherigen Ausführungsform.
In einer früheren Fassung meiner webseite hatte ich diese Kamera noch als Variante beschrieben. Mittlerweile habe ich aber auch andere Kameras in dieser Bauform gesehen. Es ist deshalb anzunehmen, dass diese Ausführungsvariante bei den ersten Kine II noch produziert wurde, evtl. auch parallel zu den letzten Reparations ExaCta's. Jedenfalls ist nach den bekannten Gehäusen in den Ausführungen der ExaCta und der Kine II keine klare Nummernabgrenzung festzustellen. So habe ich schon eine Kine II mit der Fabriknr. 639 894 gesehen als auch eine ExaCta mit der Fabriknr. 649 364 die beide nicht in die bekannten Sammler-Nummernlisten passen. Insoweit sind also auch die von Richard Hummel genannten Produktionszahlen dieser Jahre - wie von mir auch schon an anderer Stelle beschrieben - mit Zurückhaltung zu sehen.
Wie bei der Ihagee auch zu anderen Zeiten üblich, wird es auch bei diesen im Frühjahr 1949 gebauten Kameras einen gleitenden Übergang gegeben haben. Eine Kine II mit der früheren Fabriknr. 650 174 hat bereits den neuen Lichtschachtsucher. Hingegen kenne ich auch eine grob belederte ExaCta Nr. 645 678 (s. Foto weiter oben), die ebenfalls nicht ins übliche Sammlerschema passt...
In der ersten Nachkriegsbroschüre "Die Kleinbild-Reflex 24x36 mm mit dem hohen Wirkungsgrad" war auch schon wieder Zubehör enthalten; lieferbare Objektive: Tessar 3,5; Trioplan 2,9; Biotar 2 und Primoplan 1,9. Preise wurden nach wie vor nicht genannt, stattdessen auf beschränkte Liefermöglichkeiten hingewiesen.
Dass die Fertigung in diesen Jahren nicht immer regelmäßig verlaufen ist, betraf alle damals hergestellten Produkte und fast alle Unternehmen in mehr oder weniger gleichem Maße. Deshalb kann der aufmerksame Sammler immer wieder Geräte finden, die so gar nicht in die mittlerweile verbreiteten Typenraster passen wollen.
Je nach sammlerischen Interessen und Kenntnissen kann man solche Teile nach verschiedenen Kriterien einordnen:
1. Es handelt sich um ein nachträglich im Werk umgebautes Teil. Wie Leitz bot bekanntermaßen auch die Ihagee den Exakta-Besitzern einen Umbau älterer Kameragehäuse in die jeweils aktuelle Exakta-Version zu recht günstigen Konditionen an. Auch bei Werksreparaturen wurden Teile ausgetauscht, selbst wenn sie nicht defekt waren.
2. Auch Reparaturwerkstätten nahmen Modifikationen an Kameras vor. In solchen Fällen wurde meist weniger Wert auf Originalität als auf Funktionalität gelegt. Dabei verwendete man gerade vorrätige Ersatz- oder Umrüstteile. Ein verbreitetes Beispiel hierfür sind die bei Exakta oder Leica häufig vorkommenden Nachsynchronisationen bzw. der Einbau einer Norm-Blitzbuchse.
3. Nicht selten restaurieren heutzutage auch Sammler oder Photographica-Händler klassische Kameras aus unterschiedlichen Beweggründen. Dabei wird auch nach dem Motto "aus drei mach eins" vorgegangen. Manchmal findet man Kameras, die mit viel bastlerischem Geschick auf solche Weise in "Prototypen" umgerüstet werden. Ich kenne solche Beispiele etwa als Kine Exakta mit Prismensucher....
Die Veränderungen fallen manchmal sofort ins Auge (und werden dann vom Verkäufer noch als "Variante" angepriesen), teilweise sind sie gut versteckt und erst im Vergleich mit anderen Geräten zu entdecken.
4. Die Kamera wurde schon bei der Fertigung aus heute meist nicht mehr nachvollziehbaren Gründen anders oder unter Verwendung vielleicht zufällig vorhandener anderer Teile zusammengebaut. Im Übergangszeitraum zwischen Modellwechseln ist ein solches Gerät zu identifizieren, wenn Gehäuseteile oder Bedienungselemente aus der früheren und der neuen Produktion verwendet worden sind. Hierbei handelt es sich dann tatsächlich um eine "Abart", deren Auftauchen uns Sammler meist besonders beschäftigt.
Im Einzelfall ist bei der Exakta - im Gegensatz zur Leica - oft gar nicht oder nur mit gehöriger Typenkenntnis und nach Demontage herauszufinden, ob es sich um ein später im Werk umgebautes Gehäuse oder ein schon bei der Fertigung mit anderen Bauteilen hergestelltes Exemplar handelt. In den Übersichten der verschiedenen Exakta-Modelle zeige ich an mehreren Stellen auch derartige Kameras.
Vor einiger Zeit habe ich in meiner Seite auch eine eigene Abteilung für Umbau-Exakta's geschaffen. Diese finden Sie hier.
Für den feinmechanisch interessierten Sammler geht es auch im Gehäuseinneren der Kine Exakta's dieser Jahre durchaus spannend zu. Dies sollen folgende Fotobeispiele verdeutlichen. Die Exakta-Verschlussmechanik ist ja gleichermaßen simpel wie robust, trotz ihres damals einmaligen Verschlusszeitenbereichs von 12s bis 1/1000s. Bei den frühen Kameras - noch ohne die aufwendigen Blitzsynchronisationskontakte der späteren Exakta Modelle - lässt sich die Mechanik auch noch gut darstellen und im Ablauf beobachten.
Zum Abschluss dieser Seite mit den Nachkriegs-Exakta's möchte ich Ihnen noch eine für diese Zeit fast typische Kamera zeigen, bei der eigentlich nichts in eine Sammler-Merkmalliste passt. Nur auf den ersten Blick ist es ebenfalls eine Kine Exakta II, in der zweiten Ausführung mit dem umgebördelten Exakta-Typenschild. Doch bei genauerem Hinsehen passt Einiges nicht - die Kine II/2 hatte keine Befestigungsbuchse für den alten Ansteckblitz mehr. Und schon gar keine M + X-Blitzsynchronisation mit 4 Buchsen. Auch der Langzeitknopf in der stufigen Version der Kine Exacta passt genausowenig hierhin, wie deren fein strukturierte Belederung oder die Kippschutznoppe auf dem Lichtschachtdeckel.
Ein Blick in's Innere auf die Fabriknummer macht dann schlauer - tatsächlich handelt es sich hier um eine Kine Exakta Bj. 1948 ("C"-Exacta), die später im Werk umgebaut wurde. Dabei erhielt sie neben dem neuen Lichtschacht mit der erst 1952 eingeführten Deckelprägung und dem gebördelten Kine II-Typenschild auch die beschriebenen zwei zusätzlichen X-Blitzbuchsen für die E-Blitz-Synchronisation, behielt aber ihr altes Gehäuse. Außerdem gab's noch das abgedeckte Bildzählwerk der Kine II als Zugabe, nur der "alte" stufige Langzeitknopf erinnert noch an die Urspungsversion.
Der Werksumbau wird wohl 1951/52 zu Zeiten der Exakta Varex VX stattgefunden haben und passt in die oben beschriebene Kategorie 1. Aus dieser Zeit stammt auch das schön verchromte und aus diesen Jahren seltene Schneider Xenar 2,8/50, vermutlich eine US-Exportversion. Ein wenig merkwürdig ist die Bodenledergravur "Germany EXTENAR", die auf einen Export über die US-Zone in Berlin in die USA hinweist. Jedenfalls erhielten Exakta Varex-Kameras in diesen Jahren eine solche Prägung (s. hierzu meine Seite über die Export-Exakta's)
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