Das grosse Ihagee Balgengerät by Photo but More

Das grosse Ihagee-Balgengerät aus dem Vielzweckgerät

Balgen-Naheinstellgerät hieß dieses elementare Zubehörteil für Nahaufnahmen im Sprachgebrauch der Ihagee. Es wurde seit 1953 als Teil des Ihagee-Vielzweckgerätes (auch Reprogerät genannt) angeboten. Das Vielzweckgerät im Baukastenprinzip kann entsprechend seiner Namensgebung in vielfältiger Weise verwendet werden (sh. hierzu auch meine Seite zum Ihagee Vielzweckgerät).

Das Baukastensystem lässt das grosse Balgengerät aus zwei Einzelteilen mit jeweils eigenen Zubehörnummern entstehen.



















Balgenaufsatz und Einstellschlitten des grossen Balgengerätes in der ersten Ausführung (Baujahr 1954).


Die Teile konnten auch einzeln bezogen werden, üblicherweise wurden sie aber im kompletten Satz verkauft:
Einstellschlitten (Teil 2 bzw. a des Reprogerätes) - Katalog-Nr. 155.017 (715.521)
Balgenaufsatz (Teil 3 bzw. c des Reprogerätes) - Katalog-Nr. 155.02 (715.522)
Balgengerät komplett (a + c) - Katalog-Nr. 155.10 (715.510)

Der Einstellschlitten wiederum besteht aus zwei trennbaren Teilen, dem Führungsblock mit Verstellmechanismus und Stativanschluss sowie der darin beweglichen Führungsschiene. Mit diesem Teil kann die Auszugsverlängerung zwischen 3,5 bis 22 cm stufenlos eingestellt werden. Damit ist mit dem 50 mm Standardobjektiv ein mehr als 4facher Abbildungsmaßstab erreichbar. Als Zubehör zum Balgengerät war eine Diakopier-Einrichtung lieferbar, die ich gesondert vorstelle.

In der Literatur finden sich umfangreiche Naheinstelltabellen, aus denen sich die Aufnahmewerte für verschiedene Objektivbrennweiten und Auszugsverlängerungen und vor allem der jeweilige Belichtungsfaktor entnehmen lassen. Die Belichtungsverlängerung bei Nahaufnahmen ist erheblich und beträgt bei maximalem Auszug mit 50 mm Objektiv ca. 25x!
Auch Ihagee Broschüren enthalten Tabellenangaben und Bedienungshinweise, deshalb will ich darauf nicht weiter eingehen. Stattdessen beschreibe ich auch hier wieder für den Sammler die unterschiedlichen Geräteausführungen bis zum Produktionsende (etwa 1990). Zwar hat sich die technische Ausführung in diesen Jahren kaum verändert, dennoch lassen sich aus der Ihagee-Zeit drei unterschiedliche Bauformen unterscheiden. Eine vierte Version entstand in der Pentacon-Ära und ist, obwohl im Aussehen fast gleich, gründlich überarbeitet worden.



Erste Ausführung, Bauzeit 1953 bis etwa 1957



Balgengerät und Einstellschlitten aus Spritzguss, mit schwarzem Strukturlack lackiert

Einstellknöpfe für den Zahntrieb aus blankem Aluminium, massiv

Einstellskala 0-210 / 0-170 mm in der Führungsschiene des Einstellschlittens aus weißem Kunststoff, verschraubt

drehbares Kamerabajonett im Balgenaufsatz, nicht feststellbar

Herstellerangabe auf Schlitten und Balgen (manchmal auch unterschiedlich):
Ihagee Dresden Germany oder Ihagee Dresden


Zweite Ausführung, Bauzeit 1957 bis etwa 1960



Änderungen:

Einstellknöpfe für den Zahntrieb jetzt mit schwarz lackierter eingefräster Fläche

Einstellskala jetzt aus blankem Aluminium, verschraubt

drehbares Kamerabajonett im Balgenaufsatz mit Feststellschraube aus Metall

Objektivträgerplatte Balgenaufsatz jetzt dünner und mit Einfräsung bei 2 Uhr

Schraubbefestigung für den Reflektorstab des Kolpofot jetzt mit Einfräsung

Veränderte Stellung der Anschlagschrauben für Feststellknebel Balgenaufsatz

Geänderte Form der Feststellknebel

Aus der ersten und zweiten Ausführung sind manchmal Balgengeräte mit weißer bzw. elfenbeinfarbener Lackierung zu finden. Diese wurden in aller Regel für medizinische oder wissenschaftliche Zwecke – meist zur Verwendung oder in Verbindung mit dem Kolpofot &ndash geliefert.


Balgengeräte in der weißen "Medizin-Ausführung". Das linke Bild zeigt das erste Modell mit einem Spezial-Triotar, Ringblitz und Kamera mit Objektivlupenaufsatz. Auf dem rechten Bild erkennen Sie die spätere Ausführung mit einem Spezial-Sonnar. Kleine Besonderheit - hier ist die Herstellerbezeichnung mit einer aufgenieteten Plakette angebracht.

Dritte Ausführung, Bauzeit 1961 bis etwa 1969



Balgengerät und Einstellschlitten mit blaugrauem Hammerschlaglack lackiert

Einstellskala wie Version 2, anfangs noch geschraubt, später geklebt

Einstellknöpfe für den Zahntrieb mit blaugrau lackierter eingefräster Fläche

drehbares Kamerabajonett im Balgenaufsatz wieder ohne Feststellschraube

Herstellerangabe nur auf Schlitten: Ihagee Dresden Germany


Das grosse Balgengerät ist die wohl am meisten verbreitete Zubehöreinheit des Vielfachgerätes. Üblicherweise wurde es auch zusammen unter der Bestell-Nr. 155.10 verkauft. Wie weiter oben schon beschrieben, konnten die Teile des Vielfachgerätes jedoch auch einzeln gekauft werden.

Hier ein Einstellschlitten (a), Katalog-Nr. 155.01 U7 und der Balgenaufsatz (c), Katalog-Nr. 155.02 in der dritten Ausführung, noch in den Originalkartons etwa aus dem Jahr 1964. Die Skala im Einstellschlitten ist hier bereits eingeklebt.



Übergangsversion zwischen Version 3 und 4, Bauzeit um 1968

Hier sehen Sie einen Balgenaufsatz in einer Übergangsbauweise. Der Body entspricht noch der Version 3 in der schwereren Spritzgussausführung mit den Knebelschrauben aus Metall.

Allerdings fehlt hier schon die Feststellmöglichkeit für den Fall, dass der Aufsatz von der Führungsschiene abgenommen wird. Die beiden Bajonettstifte dafür sind nicht mehr eingebaut, auch deren Öffnungen sind bereits nicht mehr vorhanden. Die Position der Feststellschraube ist noch an dem kleinen Wulst auf dem linken Balgenstück (unten) zu sehen.

Mir ist nicht bekannt, ob dieser Aufsatz mit einem Einstellschlitten der Version 3 oder der Version 4 vertrieben worden ist. Ich habe ihn lediglich zum fotografieren auf einen Schlitten der letzten Baureihe gesetzt.


Balgen M42 Balgen M42Vierte Ausführung (Pentacon)
Bauzeit ab etwa 1969; ab 1970 auch für M 42-Gewindeanschluss



Balgen M42gleiche Konstruktion, jedoch auch mit Kamera- und Objektivanschluss für M42 Objektivgewindeanschluss (Praktica, Bilder oben und rechts). Balgengerät und Einstellschlitten aus leichterem Alu-Guss, blaugrau Hammerschlaglack lackiert

- Alle Einstell- und Feststellknöpfe aus schwarzem Kunststoff
- Balgenaufsatz in geänderter, etwas kürzerer Bauform, keine Arretiermöglichkeit bei abgenommenem Balgenaufsatz mehr
- Einstellskala im Einstellschlitten 0-210 mm / 0-7 inch (andere Anordnung), aus Alu, geklebt
- drehbares Kamerabajonett im Balgenaufsatz wieder mit Feststellschraube aus Kunststoff
- ohne Herstellerangabe auf Schlitten oder Balgen


Wie bei fast allen Teilen aus der Ihagee-Fertigung sind immer wieder kleine Abweichungen in der Bauweise zu finden. Meist stellt man dies erst fest, wenn man verschiedene Teile nebeneneinander vor sich liegen hat. Selten ist sowas auch für die Funktion wichtig. Manches resultiert aus produktionstechnischen Änderungen, z.B. bei der Lackierung. Anderes ist eher auf Zufälligkeiten bei der Montage zurückzuführen, wenn kleine Bauteiländerungen aus der Serie erst nach Aufbrauch noch vorhandener Einzelteile umgesetzt wurden. So ist z.B. die Einfräsung in den Triebknöpfen aus der zweiten Ausführung nicht immer lackiert worden oder es wurden selbst in der dritten Ausführung noch Bajonettringe ohne, aber auch mit Außenbajonett verbaut. Der aufmerksame Betrachter findet auch Kleinigkeiten, wie blanke oder schwarze Schrauben bei der dritten Ausführung.

Die Kunststoff-Skala der ersten Ausführung ist nach kurzer Fertigungszeit bereits durch die bruchsicherere Alu-Skala ersetzt worden. Insbesondere bei Reparaturen wurde nur die Alu-Skala eingesetzt. Geräte mit der weißen Kunststoffskala sind deshalb selten zu finden.



Posted 2008/09/01; last updated 2008/09/15 Copyright © by Horst Neuhaus