Wer sagt da, gibt’s nicht? Im Prinzip – frei nach Radio Eriwan – nein, aber wenn man genauer hinsieht, doch... Und um Missverständnissen vorzubeugen, hier ist die klassische Exakta gemeint, die zwischen 1936 und 1970 in Dresden produziert wurde! Später wurde unter dem Namen Exakta Etliches auch mit integrierter Belichtungsmessung vertrieben, hergestellt in China, Japan, Korea oder sonst wo. Doch diese Erzeugnisse sollen hier nicht interessieren.
Also - zumindest vom Namen her gibt es eine TTL-EXAKTA, die VX 1000TL (nur mit „TL“). Es handelt sich um das letzte Modell der Exakta, nur in den USA vertrieben und neben dem speziellen Typenschild mit einem Suchereinsatz von HARWIX Berlin ausgerüstet, der über einen integrierten Belichtungsmesser verfügt. Bitte verwechseln Sie diese Kamera nicht mit der später von der Ihagee West vertriebenen EXAKTA TL1000 (mit M42-Objektivanschluss)!
Damit wurde zwar kein TTL-Multiautomat aus der Exakta, doch die Belichtung ließ sich durch das Aufnahmeobjektiv einigermaßen komfortabel bestimmen. Vorausgesetzt, man verwendete einen Prismensuchereinsatz mit Belichtungsmesser! Den gab’s natürlich auch einzeln zu kaufen, womit es aufgrund des universellen Wechselsuchersystems der Exakta möglich wurde, jede Exakta oder Exa ab Baujahr 1951 mit TTL nachzurüsten.
Doch davon an andere Stelle mehr, ich will es hier mit einer anderen Systematik versuchen. Bereits im Jahr 1939 erhielt der Vater der Exakta, Karl Nüchterlein, ein Patent auf eine integrierte Belichtungsmessung für die Kine Exakta. Damals ließ sich dieses Patent aber aus zwei Gründen nicht in die Praxis umsetzen:
1. es waren keine geeigneten Selenzellen verfügbar,
2. mit Beginn des Krieges wurde die Exakta-Fertigung zuerst gedrosselt und im März 1940 gänzlich eingestellt.
Nach Kriegsende – Nüchterlein blieb im Krieg verschollen – war an die Realisierung von technischen Entwicklungsprojekten zunächst nicht zu denken. Richard Hummel führt in seinem Referenzwerk „Spiegelreflexkameras aus Dresden“ unter Modellnummer 009 zwar eine Kine Exakta mit TTL-Belichtungsmessung aus dem Jahr 1948 auf. Doch handelt es sich nur um einen Prototyp, vermutlich nach dem erwähnten Patent gebaut. Mangels ausreichender Kapazitäten in der Ihagee-Fertigung und wohl auch fehlender kaufmännischer Weitsicht wurde diese Kamera nicht realisiert.
Erst 1956 – mit der Exakta Varex IIa – fand die Belichtungsmessung wieder Eingang in die Ihagee-Produktion. Auf Anregung des Ihagee-Importeurs für den
Südwest-Bereich der Bundesrepublik, Herbert Köhler, wurde ein neues Gehäuse für einen Prismensuchereinsatz entwickelt, in das neben dem bekannten Zeiss-Prisma noch ein Belichtungsmesser und ein Fernrohrsucher hineinpassten. Obwohl dieser Name nirgendwo in der Ihagee-Literatur auftaucht - ich kenne diesen
Suchereinsatz nur unter der Bezeichnung „Köhler Sucher“.
Ihagee-offiziell hieß das Gerät „Belichtungsmessereinsatz mit Durchblicksucher“. Für den Beli griff man auf ein fertiges Produkt zurück, den Metraphot 2 der Nürnberger Metrawatt AG, die auch Leica mit deren „eigenem“ Leicameter belieferte. Das winzige Einschubgehäuse dieses Belichtungsmessers fand auch in anderen Kameras Verwendung (z.B. Braun Gloriette oder der Edixa C). Es ließ noch soviel Platz übrig, um zusätzlich einen Fernrohrsucher einzubauen – wohl eine gedankliche Anleihe an die sich mehr und mehr zum Exakta-Konkurrenten mausernde Praktina. Damit also konnte man mit der Exakta auch die Belichtung ermitteln, allerdings nicht „through the lens“ (TTL).
Dies blieb einem anderen Zusatzgerät vorbehalten, der Ihagee-Lichtmeßeinrichtung, auch als Makrolux oder Varilux bezeichnet. Dieses Zusatzteil, zwischen Objektiv und Gehäuse montiert, gehört zwar nicht zu den Suchereinsätzen. Ich will es aber der Vollständigkeit halber hier erwähnen, weil es schon zu einem frühen Zeitpunkt eine TTL-Belichtungsmessung ermöglichte. Eine detaillierte Vorstellung dieser Zusatzgeräte finden Sie in der Beschreibung des Ihagee-Zubehörs für den Makro- und Mikrobereich.
Mittels einer in den Strahlengang einschiebbaren Selenzelle konnte man das durch das Aufnahmeobjektiv fallende Licht messen und auf einem per Draht verbundenen Mikro-Amperemeter anzeigen. Da dieses Gerät auszugsverlängernd wirkte, war es für den fotografischen Alltagsgebrauch nur bedingt geeignet und wurde auch speziell für den Nah- oder Makrobereich vertrieben.
Weshalb dieses Prinzip bei Ihagee technisch nicht weiterentwickelt wurde, wird sich wohl nie mehr klären lassen. So blieb es zwei Zubehörherstellern vorbehalten, für die Exakta-Fotopraxis verwendbare Belichtungsmesser mit TTL-Messung zu entwickeln. Dies war zum Einen ein Vertriebsableger der Ihagee in West-Berlin, die Harwix und zum Anderen der Ulmer Objektivhersteller Albert Schacht.
Bevor ich diese beiden TTL-Suchereinsätze hier vorstelle, will ich noch eine andere Entwicklung erwähnen, die von den Objektivherstellern Schneider Kreuznach und deren Tochtergesellschaft ISCO Göttingen zu Beginn der 1960er Jahre vertrieben wurde - die Schneider / ISCO NFA-Objektive. Systematisch gehören sie eigentlich nicht in diese Rubrik - es handelt sich weder um Suchereinsätze und TTL-Messung können sie auch nicht.
Jedoch boten diese Objektive mit einem aufsetzbaren Nachführbelichtungsmesser die einzige Möglichkeit einer direkten Belichtungsregelung für die Exakta, in diesem Fall über die Nachführung der Objektivblende entsprechend der vorgewählten Belichtungszeit.
Damit entsprachen sie durchaus dem Stand der Technik dieser Zeit, in der Kleinbildkameras mit Nachführbelichtungsmesser gross in Mode waren. Es sind allerdings ziemlich klobige Teile, zudem noch recht fummelig, weil beim Objektivwechsel der Aufsatzbeli umgesteckt werden muß (es sei denn, man besitzt mehrere davon). Außerdem war die Verwendung auf die 4 dazu von Schneider und 3 von ISCO angebotenen Objektive beschränkt. Allerdings wurden sie auch mit M42-Objektivanschluß hergestellt, so dass der Sammler durchaus einiges zu suchen hat... In meiner Objektivrubrik erfahren Sie mehr über diese recht seltene Objektivserie.
Während das Zubehörteil von Harwix, anfangs EXAMAT genannt, mit offizieller Ihagee-Förderung und Teilen des Original-Prismensuchers der Exakta gebaut wurde, war das Schacht-Produkt, der travemat, eine Ulmer Eigenkonstruktion. Beiden Geräten gemein war die Verwendung eines CdS-Fotowiderstandes in Verbindung mit einer Knopfzellen-Batterie (damals übliche Mercury-cell PX13 und baugleiche). Die Drehspulmesswerke lieferte der Münchener Belichtungsmesserhersteller Bertram (BEWI). Beide Einsätze können problemlos anstelle der üblichen Lichtschacht- oder Prismensuchereinsätze in der Exakta oder Exa verwendet werden.
Dieses Gerät entspricht in seinem Aufbau dem normalen Prismeneinsatz der Ihagee für die Exakta oder Exa. Es wurde lediglich ein anderes Gehäuse konstruiert, das auch die Belichtungsmesser-Bauteile aufnehmen kann. Die Lichtmessung erfolgt oberhalb des Suchereinblicks mittels eines CdS-Fotowiderstandes.
Die speziell konstruierte Einstellscheibe ermöglicht die Ermittlung der Belichtungswerte sowohl bei Arbeits- als auch bei offener Blende.
Die Bedienungsanleitung spricht von „drei Meßmethoden“. Es lassen sich Filmempfindlichkeiten zwischen 9 bis 33 DIN einstellen.
In das Standardgehäuse passen die normalen Sucherlupen der Exakta. Die Meßmethode erfordert jedoch die Verwendung einer Fresnellinse aus Kunststoff.
Diese sollte keinen Messkeil (Entfernungsmesser) haben, weil sonst das Messergebnis unter Umständen verfälscht wird.
Insgesamt wurden von diesem Einsatz etwa 25.000 Stück hergestellt, der Verkaufspreis betrug 169 DM. Während der rund 4jährigen Bauzeit wurde an dem Teil eigentlich nichts verändert. Trotzdem kann der Sammler zwei Varianten finden:
1. Ausführung – EXAMAT, Fabriknummern ca. 6.xxx bis 12.xxx
2. Ausführung – TTL PRISMENSUCHER, Fabriknummern 12.xxx bis 26.xxx
Der Schacht travemat Prismensucher mit TTL-Belichtungsmessung
Hier handelt es sich um eine eigenständige Konstruktion, die keine Bauteile aus der Ihagee-Serienfertigung verwendet. Die Funktionsweise ist anders als beim EXAMAT. Die CdS-Meßzelle sitzt unterhalb des Suchereinblicks; das Umkehrprisma musste deshalb kleiner sein. Dies bewirkt einen Schutz gegen Falschlicht, das ansonsten durch den Suchereinblick einfallen und das Messergebnis verfälschen kann.
Die zu messenden Lichtstrahlen werden von einer durchlässigen Kunststoffolie oberhalb der Bildfeldlinse abgelenkt. Daraus ergibt sich der Vorteil, dass alle
Sucherlinsen verwendet werden können. Empfehlenswert ist aber auch hier eine
Fresnellinse, die ein helleres Sucherbild ergibt.
Der travemat lässt laut Bedienungsanleitung für die erste Ausführung „zwei Einstellarten“ bei Arbeits- und offener Blende zu. Ein überarbeitetes Modell bietet neben einem erweiterten Messumfang nun auch – wie der EXAMAT – drei Meßmethoden.
Der travemat wurde übrigens ebenfalls für die Edixa angeboten. Der
Verkaufspreis betrug seinerzeit 269 DM.
1. Ausführung – travemat mit zwei Meßmethoden, 9-27 DIN
2. Ausführung – travemat mit drei Meßmethoden, 9-33 DIN
Exakta Fotografen stritten seinerzeit (manche tun’s noch heute) darüber, welcher der beiden TTL-Einsätze das bessere Gerät sei. Nun, mit beiden ließ sich nach einiger Gewöhnung gut arbeiten. Äußerlich war der travemat das etwas „modischere“ Gerät und passt nach meinem Geschmack besser zur VX 1000. Er ist mit seinem Plexigriff auch handlicher in der Bedienung. Sein metallisiertes Kunststoffgehäuse sieht wertig aus, ist jedoch empfindlich gegen Stoß oder Fall.
Immerhin war er auch um Einiges teurer als der EXAMAT. Dieser hingegen
passt mit seinem schwarzen Gehäuse gut zu den älteren Exakta’s oder der EXA. Nach meinem Eindruck ist das Sucherbild in dem Harwix-Gerät eine Spur schärfer, was möglicherweise auf die Kunststoffolie im travemat zurückzuführen ist. Für Exakta-Sammler sind beide Sucher auf jeden Fall Pflichtbesitz...
Einstellscheiben zu diesen Suchereinsätzen finden Sie demnächst hier: Sucher-Einstellscheiben
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