Zu ihrer Zeit galt die Exakta Varex als die universellste Kleinbild-Spiegelreflexkamera mit einem Zubehörangebot für alle denkbaren fotografischen Anwendungsbereiche. Einen Teil dieses Rufes hat mit Sicherheit das "Ihagee Vielzweckgerät" mit seinen im Baukastensystem erwerb- und einsetzbaren Teilen begründet.
Selbstverständlich erfüllt die Exakta mit ihren Zubehörmöglichkeiten alle Anforderungen für die übliche Fotopraxis. Dabei hat sie z.B. Systemkameras aus der Meßsucherabteilung, wie Contax oder Leica,
nur wenig voraus. Die Vorteile des Prinzips der einäugigen Spiegelreflex offenbaren sich denn auch in eher speziellen Aufnahmesituationen, wie der Reprografie, der Nah- und Mikro- oder gar der medizinischen Fotografie.
Zwar zeigt schon eine "normale" Spiegelreflex in dem bei etwa 1 Meter beginnenden Nahbereich ihre Vorzüge gegenüber Sucherkameras. Doch wenn es noch ein bißchen näher sein soll, sind Zusatzgeräte erforderlich. Für den dazu üblichen Kram, wie Zwischenringe oder Vorsatzlinsen finden Sie gesonderte Beschreibungen. Hier geht es um das professionelle Arbeiten, das die Ihagee mit ihrem Vielzweckgerät ermöglichte.
Hinweis das zuvor in dieser Rubrik behandelte Kolpofot finden Sie nun in der Abteilung Medizinische Fotografie mit der Exakta
Das Ihagee Vielzweckgerät war die eierlegende Wollmilchsau der Exakta schlechthin. Eingeführt wurde es im Jahr 1954 und ist erstmals in der Ergänzungspreisliste vom 1. Oktober 1954 zu finden. Im Prinzip ein Reproständer, jedoch mit etlichem intelligenten Zubehör, bildete es in den Folgejahren die Grundlage für die Spezialanwendungen der Exakta in der technisch-wissenschaftlichen Fotografie.
Zwar wurde schon 1939 ein Reproständer zur Exakta angeboten, das war jedoch keine herausragende Besonderheit. Reprogeräte waren damals übliche Zusatzteile, die auch von der Zubehörindustrie erhältlich waren. Schon eher etwas Spezielles war das Lumimax-Reprogestell, das aber vorwiegend für die Ihagee Lumimax-Vergrößerungs- bzw. Projektionsapparate zum Einsatz kam und weniger als Hilfsgerät für Nah- und Mikroaufnahmen konzipiert war.
Lumimax-Reprogerät Katalog-Nr. 5445 (Abb. oben)
Kine-Reprogerät Katalog-Nr. 8812 (Abb. links) -
Hingegen war das Ihagee-Vielzweckgerät zwar auch als reines Reprogestell verwendbar, konzeptionell jedoch für wesentlich erweiterte Anwendungen vorgesehen:
Für diese Anwendungszwecke wurden im Baukastenprinzip verschiedene hochwertige Zusatzgeräte angeboten. Ich will auch hier keine detaillierte Gebrauchsanleitung zu diesen Geräten geben. Diese ist in Ihagee-Druckschriften (z.B. Form 314, 346) oder in den Exakta-Kamerabüchern von Werner Wurst sehr
ausführlich zu finden. Vielmehr soll der interessierte Sammler vor allem Hinweise über die im Lauf der Jahre angebotenen Versionen und Gerätezusammenstellungen erhalten.
Das Vielzweckgerät zur Exakta in Einzelteilen
1 Grundbrett mit 4 Füßen 1/3
1/2 Säulenfuß mit Stellschraube 1/4
2+3 2 Säulen
2/2 Säulen-Anschlagring für Höhenfixierung
4 Stifte 4a und 4b zur Höhenfeststellung
5 Trägerkopf mit Hebelschrauben 5/2 und 5/3
6 Einstellschlitten mit 2 Stellschrauben und Anschlagschraube
7 Balgengerät mit Kamera- und Objektivbajonettring und 2 Hebel-Festellschrauben
8 Schwenkwinkel mit Befestigungsteilen und Feststellschraube
9 Lichtschutzmanschette
10 Mikroskopring II für Zeiss-Mikroskope (Best. Nr. 157)
Die Teile konnten unterschiedlich zusammengestellt, teilweise auch einzeln bestellt werden - s. nachfolgende Tabelle.
Dabei ging es ein wenig unübersichtlich zu, obwohl die Anzahl der Bauteile durchaus überschaubar ist. Die Bestellnummern der einzelnen Teile wurden zwar während der Bauzeit nur geringfügig geändert. Jedoch gibt es zu der gleichen Bestellnummer unterschiedliche Ausführungen. Erst mit Produktionseinstellung der Exakta 1970 wurden vom VEB Pentacon neue Bestellnummern (wie auch für alle ehemaligen Ihagee-Teile) vergeben. Das Meiste blieb dann auch noch längere Zeit für die Praktica lieferbar und erhielt M42-Objektiv- und Kameraanschlüsse.
Es waren verschiedene Gerätekombinationen lieferbar; nicht Alles war aber auch einzeln erhältlich. Zum Einführungszeitpunkt im Herbst 1954 wurden folgende Teile und Kombinationen angeboten:
Bestell-Nr. | Bezeichnung | Preis in DM |
---|---|---|
  | Vollständiges Reproduktionsgestell (1, 2, 3), bestehend aus: | 243,80 |
155.01 | (1) Grundbrett mit Säulenfuß, zwei zusammensteckbaren, Säulen, Anschlagring, 2 Montagestifte, Haltekopf | 108,60 |
155.017 | (2) Einstellschlitten | 57,65 |
155.02 | (3) Balgengerät | 77,55 |
  | Vollständiges Reproduktionsgestell (1, 2, 4) mit Schwenkwinkel anstelle des Balgengerätes, bestehend aus: | 209,50 |
155.03 | (1) Grundbrett mit Säulenfuß, zwei zusammensteckbaren, Säulen, Anschlagring, 2 Montagestifte, Haltekopf | 108,60 |
155.017 | (2) Einstellschlitten | 57,65 |
155.03 | (4) Schwenkwinkel | 43,25 |
155.08 | Schwenkwinkel Kombination mit Einstellschlitten (2, 4) | 100,90 |
155.10 | Balgengerät Kombination mit Einstellschlitten (2, 3) | 135,20 |
155.19 | Diakopiergerät Kombination (2, 3, 5), bestehend aus: | 194,60 |
155.10 | (2, 3) Balgengerät-Kombination | 135,20 |
155.04 | (5) Diakopiereinrichtung mit Balgenkompendium | 59,40 |
155.19 | Diakopiergerät Kombination (2, 4, 5), bestehend aus: | 160,30 |
155.08 | (2, 3) Schwenkwinkel-Kombination | 100,90 |
155.04 | (5) Diakopiereinrichtung mit Balgenkompendium | 59,40 |
  | Mikrofoto-Kombination, bestehend aus: | 250,05 |
  | (1, 2, 3) Vollständiges Reprogerät | 243,80 |
156 | (8) Lichtschleuse für Mikroskop | 6,25 |
  | Stereofoto-Kombination, bestehend aus: |   |
  | (1, 2, 4) Vollständiges Reprogestell oder nur | 209,50 |
  | (2, 4) Schwenkwinkel und Einstellschlitten | 100,90 |
  | Kombination Stativträger (7) und Schwenkwinkel (4) | 53,20 |
  | (6) Objektivanschlussring für Balgenkompendium, einzeln | 2,70 |
155.03/10 | (7) Stativträger, einzeln | 9,95 |
157 | (9) Mikroskopring II (für Mikroskopanschluss) | 11,50 |
127 | Triotar mit Blende 45 einzeln | 241,50 |
  | Blohm-Zentralblitzeinrichtung ZB 3, komplett mit Kabeln | 310,30 |
155.12 | Haltewinkel für den Reflektorstab (E-Blitz von VEB Elektronik, Plauen) | 12,10 |
  | Endoskop-Anschlusskapsel, Spezialanfertigung (das Endoskoprohr mußte dazu eingesandt werden) | ca. 50,- |
Mit der genannten Ergänzungspreisliste wurde auch erstmalig das Ihagee Kolpofot angeboten. Dabei handelte es sich um eine weiß lackierte Sonderanfertigung von Balgengerät (3) und Einstellschlitten (2) mit verchromten Blankteilen (DM 141,90), einem speziellen Carl Zeiss Triotar 4/135 mit enger Blende 45 (DM 241,50) und einer Zentralblitzeinrichtung ZB3 (nicht von Ihagee, sondern von Blöhm, Plauen - später ELGAWA - hergestellt).
Die schon von Anfang an vorgesehene Beleuchtungseinrichtung war ab 1955 erhältlich. Im Laufe der Zeit erhielten die Basis-Kombinationen mit Balgen bzw. Schwenkwinkel die Bezeichnungen Reprogerät 1 und Reprogerät 2 und neue Bestellnummern. Auch einige Preise wurden verändert:
Bestell-Nr. | Bezeichnung | Preis in DM |
---|---|---|
155.14 | Reprogerät 1 (Grundgerät mit Balgen, unverändert) | 243,80 |
155.15 | Reprogerät 2 (Grundgerät mit Schwenkwinkelaufsatz, unverändert) | 209,50 |
155.07 | Reprogestell (Grundgerät mit Einstellschlitten) |   |
155.05 | Beleuchtungseinrichtung | 111,00 |
155.11 | Vollständiges Kolpofot | 743,60 |
127 | Triotar mit Blende 45 einzeln | 332,25 |
128 | Spezialobjektiv Tessar 2,8/50 mit versenkter Fassung | 180,00 |
Bis 1961 blieben diese Teile im
Lieferprogramm der Ihagee und wurden nur geringfügig verändert. Lediglich das Balgenkompendium des Diakopiervorsatzes wurde 1954 gegen eine neue Lichtschutzblende ausgetauscht. Für die Verwendung mit Balgengeräten wurde das Tessar 2,8/50 als Spezialobjektiv mit versenkter Fassung und ohne Fokussiermöglichkeit angeboten. Damit ist auch im Balgen eine Entfernungseinstellung bis unendlich möglich, allerdings auf Kosten einer geringeren maximalen Auszugslänge. Auch ISCO Göttingen und Steinheil München lieferten in geringen Stückzahlen solche Spezialobjektive.
Exakta Varex, Modell 1961
Mit der Überarbeitung der Exakta Varex IIa im Jahr 1961 wurde auch das Vielzweckgerät runderneuert. Äußerlich ist die neue Ausführung an der blaugrauen Hammerschlaglackierung erkennbar. Das Grundbrett und die neue einteilige Säule erhielten den Namen Reprogestell 61 und Reprogerät 61; der Schlitten war jetzt an der Säule verschiebbar.
Grundbrett mit Säule und Haltekopf kosteten jetzt DM 151,85 gegenüber bisher DM 108,60. Auch die Beleuchtungseinrichtung wurde neu gestaltet und erhielt eine neue Bestellnummer (213.12). Die übrigen Teile (Balgen, Einstellschlitten, Schwenkwinkel und Diakopiervorsatz) blieben, bis auf die neue Lackierung, in der Grundausführung gleich, so dass durchaus alte und neue Zusatzteile gemischt verwendbar sind.
Im Jahr 1969 erhielt das Balgengerät ein neues "stromlinienförmiges" Design. Es wurde auch durch den nunmehr
verwendeten Aluguss erheblich leichter. Die verschiedenen Versionen des Balgengerätes und der Diakopiereinrichtung stelle ich gesondert vor - Grosses Ihagee Balgengerät // Dia-Kopiergerät.
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